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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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auftauchen. Das bedeutete, dass ich über die Chandrian und die Amyr nach Herzenslust forschen konnte, ohne dass jemand, Lorren eingeschlossen, je von meinen »kindischen« Aktivitäten erfuhr.
    Als ich in den rötlichen Lichtschein des Vorraums trat, saßen sowohl Ambrose als auch Fela am Empfang. Was für ein Gegensatz!
    Ambrose hatte sich zu ihr hinübergebeugt und flüsterte ihr etwas zu. Sie zeigte den ausgesprochen unbehaglichen Blick einer Frau, die um die Vergeblichkeit einer höflichen Zurückweisung weiß. Eine seiner Hände ruhte auf ihrem Knie, und den anderen Arm hatte er um die Rückenlehne ihres Stuhls gelegt, die Hand in ihrem Nacken. Es sollte zärtlich und liebevoll aussehen, aber ihr ganzer Körper wirkte angespannt wie der eines aufgeschreckten Rehs. Im Grunde hielt er sie wie einen Hund beim Genick gepackt.
    Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, hob Fela den Blick, sah mir in die Augen und schlug den Blick dann wieder nieder, beschämt über ihre missliche Lage. Als ob es ihre Schuld gewesen wäre. Ich hatte diesen Blick nur allzu oft auf den Straßen von Tarbean gesehen. Er ließ einen alten Zorn in mir auflodern.
    Ich schritt zum Empfang und machte dabei mehr Lärm als nötig. Am anderen Ende des Pults lag eine Feder auf einem Blatt Papier, daszu drei Vierteln mit verbesserten und durchgestrichenen Versen gefüllt war. Ambrose hatte offenbar an einem Gedicht gearbeitet.
    Ich blieb vor dem Empfang stehen. Fela sah überallhin, nur nicht zu Ambrose oder mir. Sie rutschte unbehaglich auf ihrem Sitz hin und her und wollte offenkundig keine Szene machen. Ich räusperte mich.
    Ambrose sah sich mit finsterem Blick zu mir um. »Du hast ein beschissenes Timing, E’lir. Komm später wieder.« Er wandte sich wieder ab.
    Ich schnaubte und beugte mich über das Pult, um das Blatt Papier in Augenschein zu nehmen. » Ich habe ein beschissenes Timing? Also bitte, du hast da dreizehn Silben in diesem Vers.« Ich pochte mit dem Finger auf die Seite. »Und ein Jambus ist das auch nicht. Ich weiß nicht, was das überhaupt für ein Metrum sein soll.«
    Er sah sich erneut zu mir um, nun offensichtlich gereizt. »Hüte deine Zunge, E’lir. Der Tag, an dem ich mir von dir lyrische Ratschläge hole, ist der Tag –«
    »… an dem du mal zwei Stunden Zeit hättest«, sagte ich. »Zwei lange Stunden, und das wäre nur für den Anfang. ›Weiß denn die kleine Drossel, was der Norden dräut‹? Also, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, das zu kritisieren. Es sei denn, es ist eine Selbstpersiflage.«
    »Was verstehst du denn schon von Poesie?«, sagte Ambrose, ohne sich noch einmal zu mir umzuwenden.
    »Ich erkenne einen holprigen Vers, wenn ich einen sehe«, sagte ich. »Aber der hier ist ja nicht mal mehr holprig. Holprig hätte er noch einen gewissen Rhythmus. Der hier ähnelt eher einem Sturz die Treppe hinab. Eine unebene Treppe. Mit einem Misthaufen davor.«
    »Das ist ein freier, gebrochener Rhythmus«, sagte er in gekränktem Ton. »Ich erwarte gar nicht, dass du das verstehst.«
    »Gebrochen, ja?« Ich lachte ungläubig. »Wenn dieser Rhythmus ein Pferd wäre, hätte man ihm schon längst den Gnadenstoß versetzt und den Kadaver dann verbrannt, damit sich die Hunde nicht daran den Tod holen.«
    Endlich wandte sich Ambrose zu mir um, und dazu musste er dierechte Hand von Felas Knie nehmen. Ein kleiner Sieg, aber seine andere Hand ruhte weiterhin in ihrem Nacken.
    »Ich hatte erwartet, dass du heute kommst«, sagte er. »Und daher habe ich bereits im Verzeichnis nachgesehen. Du stehst noch nicht drin. Also musst du dich mit dem Präsenzbereich begnügen oder später wiederkommen, wenn sie die Bücher auf den neuesten Stand gebracht haben.«
    »Nichts für ungut, aber würde es dir etwas ausmachen, noch einmal nachzusehen? Ich weiß nicht, ob ich den Lesefertigkeiten von jemandem trauen soll, der Süden auf Frieden reimt. Kein Wunder, dass du die Frauen festhalten musst, damit sie sich das anhören.«
    Ambrose versteifte sich, und sein Arm glitt von der Rückenlehne. In seinem Blick lag nun nackte Gehässigkeit. »Wenn du älter bist, E’lir, wirst du verstehen, dass was Mann und Frau miteinander tun –«
    »Im Vorraum der Bibliothek?« Ich wies auf den Saal. »Das ist doch hier nicht irgendein Bordell. Wenn du dich schon einer Frau aufdrängen musst, dann sei doch bitte wenigstens so anständig, es in einer dunklen Gasse zu tun. Dort hätte sie wenigstens keine Hemmungen zu schreien.«
    Ambrose

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