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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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    Als ich mich schließlich durch das mittägliche Gedränge zu ihm durchgekämpft hatte, befanden wir uns am nördlichen Ende des Universitätsgeländes und gingen auf einem breiten Feldweg in den Wald hinein. »Meister Elodin«, sagte ich, »ich hatte gehofft, ich könnte mit Euch sprechen.«
    »Eine jämmerlich kleine Hoffnung«, sagte er, ohne seine Schritte zu verlangsamen oder auch nur in meine Richtung zu blicken. »Du solltest dir höhere Ziele stecken. Ein junger Mann sollte große Ambitionen hegen.«
    »Nun denn, ich hoffe, Namenskunde studieren zu können«, sagte ich und ging nun neben ihm.
    »Eine allzu große Hoffnung«, erwiderte er sachlich-nüchtern. »Versuch es noch einmal. Irgendwo dazwischen.« Der Weg machte eine Kurve, und nun versperrten Bäume den Blick auf die Gebäude der Universität.
    »Ich hatte gehofft, Ihr würdet mich als Student annehmen«, versuchte ich es erneut. »Und mir alles beibringen, was Ihr für wissenswert erachtet.«
    Elodin blieb stehen und sah mich an. »Also gut«, sagte er. »Such mir drei Kiefernzapfen.« Er bildete mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. »So groß. Und makellos.« Er setzte sich mitten auf den Weg und scheuchte mich mit einer Geste fort. »Los. Schnell.«
    Ich eilte in den Wald. Ich brauchte gut fünf Minuten, bis ich drei passende Zapfen gefunden hatte. Als ich zerzaust und zerkratzt wiederkam, war Elodin verschwunden.
    Ich sah mich verdutzt um, fluchte, warf die Kiefernzapfen hin und lief los. Ich holte ihn schnell ein, denn er schlenderte nur so dahin und betrachtete die Bäume.
    »Also, was hast du gelernt?«, fragte er.
    »Dass Ihr in Ruhe gelassen werden wollt?«
    »Du bist ein kluges Kerlchen.« Er breitete in einer dramatischen Geste die Arme aus und sagte: »Und hiermit endet nun der Unterricht! Die Unterweisung des E’lir Kvothe ist abgeschlossen!«
    Ich seufzte. Wenn ich jetzt gegangen wäre, wäre ich noch pünktlich zu meinem Seminar in der Mediho gekommen, aber ich war halbwegs überzeugt, dass das alles nur ein Test war. Elodin wollte vermutlich prüfen, ob ich wirklich interessiert war, bevor er mich als Student annahm. So ist das ja immer in den Geschichten: Der junge Mann muss dem alten Einsiedler seine Entschlossenheit beweisen, ehe dieser ihn unter die Fittiche nimmt.
    »Würdet Ihr mir ein paar Fragen beantworten?«, fragte ich.
    »Gern«, sagte er und hob drei Finger. »Drei Fragen. Aber nur, wenn du versprichst, mich anschließend in Ruhe zu lassen.«
    Ich überlegte eine Moment lang. »Warum wollt Ihr mich nicht unterrichten?«
    »Weil Edema Ruh grottenschlechte Studenten abgeben«, erwiderte er barsch. »Sie sind gut im Auswendiglernen, aber das Studium der Namenskunde erfordert ein Maß an Hingabe, welches das Gesindel deines Schlags nur in den seltensten Fällen aufzubringen vermag.«
    Das versetzte mich schlagartig in Rage. Ich spürte, dass ich rot anlief. Die Haare auf meinen Unterarmen stellten sich auf.
    Ich atmete tief durch. »Es tut mir Leid, wenn Ihr mit den Ruh unerquickliche Erfahrungen gehabt habt«, sagte ich vorsichtig. »Aber ich kann Euch versichern –«
    »Ach du meine Güte«, seufzte Elodin angewidert. »Und dann auch noch ein Speichellecker. Dir fehlt sowohl das nötige Rückgrat als auch der nötige Mumm, um bei mir zu studieren.«
    Böse Worte lagen mir auf der Zunge. Ich schluckte sie wieder hinunter. Er versuchte mich zu ködern.
    »Ihr sagt mir nicht die Wahrheit«, sagte ich. »Warum wollt Ihr mich nicht unterrichten?«
    »Aus dem selben Grund, aus dem ich mir auch keinen jungen Hund zulege!«, rief Elodin und fuchtelte mit den Armen, wie ein Bauer, der Krähen aus einem Feld scheucht. »Weil du zu klein bist für die Namenskunde. Weil du zu blauäugig bist. Weil du die falsche Anzahl von Fingern hast. Komm wieder, wenn du größer bist und dir anständige Augen zugelegt hast.«
    Wir starrten einander an. Schließlich zuckte er die Achseln und ging weiter. »Also gut. Ich werde dir zeigen, warum.«
    Wir gingen auf dem Weg weiter nach Norden. Elodin schlenderte dahin, hob Steine auf und warf sie in den Wald. Er hüpfte, um Blätter von niedrig hängenden Ästen zu rupfen, und sein Talar blähte sich dabei auf lächerliche Weise. Einmal blieb er stehen, stand dann fast eine halbe Stunde lang reglos da und betrachtete einen Farn, der sich sacht im Wind regte.
    Ich hielt den Mund. Ich fragte weder »Wohin gehen wir?« noch »Was seht Ihr da?«. Dazu kannte ich zu viele Geschichten über

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