Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
schiefen Klang. Argwöhnisch betrachtete ich den Hals der Laute. »Ich glaube, der Hals hat einen Knacks.« Dann spielte ich einen Moll-Akkord, der sogar noch übler klang. »Hört Ihr das?« Ich schlug den Akkord noch einmal an, diesmal lauter.
    »Drei zwei?«, fragte er hoffnungsvoll.
    »Sie ist nicht für mich«, sagte ich, wie um ihn zu berichtigen. »Sie ist für meinen kleinen Bruder. Damit der kleine Mistkerl meine Laute endlich mal in Ruhe lässt.«
    Ich schlug noch einen Akkord an und verzog das Gesicht. »Kann sein, dass ich ihn nicht besonders mag, aber ihm eine Laute mit angeknackstem Hals zu kaufen – so gemein bin ich dann doch nicht.« Ich machte eine Kunstpause. Als nichts geschah, fügte ich hinzu: »Jedenfalls nicht für drei zwei.«
    »Glatte drei Talente?«, sagte der Inhaber.
    Dem äußeren Anschein nach hielt ich die Laute ganz gelassen in der Hand. Doch für andere nicht wahrnehmbar, klammerte ich mich so fest daran, dass mir die Fingerknöchel weiß wurden. Ich kann nicht hoffen, dass ihr das versteht. Als die Chandrian meine Truppe ermordeten, vernichteten sie damit alles, was ich an Familie und Heimat je besessen hatte. Doch in mancher Hinsicht war es, als die Laute meines Vaters in Tarbean zerstört worden war, schlimmer gewesen. Das war, als hätte ich einen Arm oder ein Bein oder ein Auge verloren. Ohne meine Musik war ich jahrelang nur halb lebendig in Tarbean herumgelaufen, wie ein verkrüppelter Veteran oder ein wandelnder Leichnam.
    »Ich habe hier zwei zwei für Euch«, sagte ich freimütig und zog meinen Geldbeutel hervor. »Entweder Ihr nehmt es, oder dieses hässliche Ding kann die nächsten zehn Jahre auf einem Regal Staub ansetzen.«
    Ich blickte ihm in die Augen und achtete geflissentlich darauf, mir nicht anmerken zu lassen, wie dringend ich die Laute wollte. Ich hätte alles getan, um diese Laute behalten zu können. Ich hätte nackt im Schnee getanzt. Ich hätte schlotternd seine Beine umklammert und ihm versprochen, alles zu tun, was er nur wollte.
    Ich legte zwei Talente und zwei Jots auf den Ladentresen zwischen uns, fast das gesamte Geld, das ich für die Studiengebühren des nächsten Trimesters gespart hatte. Und die Münzen klackten, als ich sie hinlegte.
    Er blickte mich prüfend an. Ich legte noch einen weiteren Jot hin und wartete. Und wartete. Und als er endlich die Hand nach dem Geld ausstreckte, blickte er so unfroh und abgespannt, wie ich es von Pfandleihern gewohnt war.

    Devi öffnete mir die Tür und lächelte. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so schnell wiedersehe. Komm herein.« Sie verriegelte die Tür hinter mir und ging zu ihrem Schreibtisch. »Nicht dass ich enttäuscht wäre«, sagte sie und sah sich mit einem verschmitzten Lächeln zu mir um. »Ich habe mich schon darauf gefreut, Geschäfte mit dir zu machen.« Sie nahm Platz. »Dann also zwei Talente, ja?«
    »Doch lieber vier«, erwiderte ich. Das reichte gerade für die Studiengebühren und ein Bett in Mews. Ich hätte auch unter freiem Himmel schlafen können, aber meine Laute hatte etwas Besseres verdient.
    »Wunderbar«, sagte sie und zog das Fläschchen und die Nadel hervor.
    Meine Fingerspitzen sollten unversehrt bleiben, also piekste ich mir in den Handrücken, ließ drei Tropfen Blut in das braune Fläschchen rinnen und reichte es Devi.
    »Steck die Nadel mit rein«, sagte sie.
    Ich tat es.
    Devi betupfte den Glasstöpsel mit einer klaren Flüssigkeit und verschloss das Fläschchen dann damit. »Ein sehr praktischer Klebstoff von deinen Freunden vom anderen Ufer«, erklärte sie. »So kann ich die Flasche nicht öffnen, ohne sie zu zerbrechen. Wenn du deine Schulden beglichen hast, übergebe ich sie dir unbeschädigt, und dann kannst du ruhig schlafen, in dem Wissen, dass ich nichts davon für mich behalten habe.«
    »Es sei denn, du hättest das entsprechende Lösungsmittel«, entgegnete ich.
    Devi schaute gekränkt. »Vertrauen ist nicht gerade deine Stärke, hm?« Sie wühlte in einer Schublade herum, holte ein Stück Siegelwachs hervor und erwärmte es an ihrer Schreibtischlampe. »Du hast vermutlich keinen Siegelring, oder?«, fragte sie und ließ das Wachs auf den Stöpsel rinnen.
    »Wenn ich Schmuckstücke zum Verkaufen hätte, wäre ich nicht hier«, sagte ich freimütig und drückte meinen Daumen in das Wachs. Er hinterließ einen gut sichtbaren Abdruck. »So geht’s doch auch.«
    Devi ritzte mit einer Diamantnadel eine Nummer in die Flasche und zog dann ein Blatt

Weitere Kostenlose Bücher