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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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mir und ging zur Nordwestecke des Hofs, wo der Apfelbaum stand. Dort lagen keine Äpfel auf dem Boden. Es war noch zu früh im Jahr. Und außerdem befand sich das Gitter am anderen Ende des Hofs. So weit konnte der Apfel nicht von allein gekullert sein. Jemand musste ihn dorthin getragen haben.
    Ich wusste zwar nicht, was ich davon halten sollte, aber wenn ich jetzt nicht aufbrach, würde ich noch zu spät zu meiner Abendschicht im Handwerkszentrum kommen. Ich kletterte also den Apfelbaum hinauf, nahm meine Laute und eilte zu Kilvins Werkstatt.
    Später an diesem Abend vertonte ich auch die übrigen Runen. Ich brauchte ein paar Stunden dafür, doch als ich damit fertig war, hatte ich eine sehr eingängige Reihe der Runen im Kopf. Am nächsten Tag unterzog mich Cammar einer zweistündigen, ausführlichen Prüfung, und ich bestand.

    Für die nächste Phase meiner Ausbildung gab man mich zu Manet in die Lehre, dem älteren Studenten mit der wilden Haarmähne, den ich gleich an meinem ersten Tag an der Universität kennengelernt hatte. Manet studierte schon seit fast dreißig Jahren hier, und alle nannten ihn nur den ewigen E’lir. Doch trotz seines niederen Rangs hatte er mehr praktische Erfahrung als ein Dutzend höherrangiger Studenten zusammen.
    Manet war geduldig und rücksichtsvoll. Er erinnerte mich an meinen alten Lehrer Abenthy. Nur dass Abenthy so rastlos wie ein fahrender Kessler durch die Welt gezogen war, während Manet, wie jeder wusste, sich zum Ziel gesetzt hatte, bis an sein Lebensende an der Universität zu bleiben.
    Manet fing ganz von vorne an und brachte mir die einfachen Formeln bei, die man für die Herstellung von gehärtetem Glas und derlei Dingen benötigte. Unter seiner Anleitung machte ich in der Handwerkskunst so schnelle Fortschritte wie in den anderen Fächern, und es dauerte nicht lange, dann waren wir schon bei komplexeren Projekten angelangt, bei Hitzeschluckern und Sympathielampen beispielsweise.
    Die wahren Spitzenprodukte der Handwerkskunst, wie Sympathie-Uhren oder Schwunger, waren für mich immer noch unerreichbar, aber ich wusste, dass dies nur eine Frage der Zeit war. Doch die Zeit wurde nun leider knapp.

Kapitel 52
    Brennen

    I ch besaß nun eine Laute und hatte so meine Musik wieder, doch dabei wurde mir klar, dass ich seit drei Jahren aus der Übung war. Die Arbeit im Handwerkszentrum hatte meine Hände gestärkt und abgehärtet, aber leider auf die falsche Art und Weise. Ich brauchte etliche Tage, bis ich auch nur wieder eine Stunde am Stück spielen konnte.
    Vielleicht hätte ich schnellere Fortschritte gemacht, wäre ich nicht mit meinen anderen Studien so beschäftigt gewesen. Ich absolvierte jeden Tag zwei Stunden in der Mediho, im Gehen und Stehen, hatte im Schnitt pro Tag zwei Stunden Mathematikunterricht und drei Stunden Lehrzeit bei Manet im Handwerkszentrum.
    Und dann war da noch die höhere Sympathie bei Elxa Dal. Außerhalb des Unterrichts war Dal ein reizender Mensch, der nie laut wurde und manchmal, wenn ihn die Laune packte, sogar richtig herumalbern konnte. In seinen Seminaren jedoch gab er abwechselnd den wahnsinnigen Propheten und den Galeerensklaveneinpeitscher. Die drei Stunden bei ihm kosteten mich so viel Kraft und Nerven wie fünf Stunden bei den anderen.
    Mit meiner bezahlten Arbeit in Kilvins Werkstatt blieb mir kaum genug Zeit zum Schlafen, Essen und Lernen.
    Die Musik ist eine stolze und launische Geliebte. Wenn du ihr die Zeit und Aufmerksamkeit schenkst, die ihr gebührt, so ist sie dein. Wenn du sie aber vernachlässigst, so kommt der Tag, an dem sie deine Besuche nicht mehr empfängt. Also schlief ich nun weniger, um ihr die nötige Zeit widmen zu können.
    Nach einer Spanne mit diesem Pensum war ich erschöpft. Nachdrei Spannen half nur noch eiserne Entschlossenheit. Und in der fünften Spanne gingen meine Kräfte allmählich zur Neige.

    In diese fünfte Spanne fiel eines der seltenen Male, dass ich mich mit Wilem und Simmon zum Mittagessen traf. Die beiden brachten ihr Essen aus einem nahen Wirtshaus mit. Ich konnte mir derzeit keinen Apfel und keine Fleischpastete leisten und hatte in der Mensa etwas Graubrot und ein knorpeliges Würstchen gemopst.
    Wir setzten uns auf die Steinbank unter dem Fahnenmast, an dem ich ausgepeitscht worden war. Dieser Ort hatte mir seither Furcht eingeflößt, aber ich hatte mich gezwungen, wieder dorthin zu gehen, um mir zu beweisen, dass ich diese Furcht überwinden konnte. Als mir das gelungen war, saß ich

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