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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Papier hervor. Sie schrieb etwas darauf und wartete, bis es getrocknet war. »Damit kannst du zu jedem Geldverleiher auf beiden Seiten des Flusses gehen«, sagte sie und reichte mir das Blatt. »Es war mir eine Vergnügen. Lass bald wieder etwas von dir hören.«

    Ich kehrte an die Universität zurück, mit genug Geld im Beutel und dem beglückenden Gefühl des Lautengurts auf der Schulter. Die Laute war aus zweiter Hand und alles andere als schön, und sie hatte mich Geld und Blut und Seelenfrieden gekostet.
    Doch ich liebte sie wie mein eigen Fleisch und Blut.

Kapitel 51
    Teer und Zinn

    Z u Beginn des zweiten Trimesters erhielt ich von Kilvin die Erlaubnis, mit dem Studium der Sygaldrie zu beginnen. Das rief einiges Stirnrunzeln hervor, aber nicht im Handwerkszentrum, wo man mich als fleißigen Arbeiter und eifrigen Studenten kannte.
    Sygaldrie ist, kurz gesagt, ein Werkzeug, mit dem man Kräfte lenken kann. Sympathie in fester Form gewissermaßen.
    Wenn man beispielsweise in einen Ziegelstein die Rune ule einritzt und in einen anderen die Rune dok , so bewirken die Runen, dass die beiden Steine so fest aneinander haften, als wären sie mit Mörtel verbunden.
    Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn auf Dauer zerdrücken die Runen die Steine mit ihrer starken Anziehungskraft. Um das zu verhindern, muss man auf beiden Steinen die Rune aru hinzufügen. aru steht als Rune für »Lehm«, es lässt die beiden Lehmstücke aneinanderhaften und löst so das Problem.
    Bloß dass aru und dok von ihrer Gestalt her nicht zusammenpassen. Damit der Anschluss stimmt, muss man noch zwei weitere Runen einfügen – gea und teh . Und der Symmetrie wegen muss man auch den anderen Stein mit diesen Runen versehen. Dann haften die beiden Steine aneinander, ohne zu zerbrechen.
    Jedoch nur, wenn sie aus Lehm bestehen. Und die meisten Ziegelsteine bestehen nicht aus Lehm. Daher gilt es allgemein als gute Idee, vor dem Brennen der Steine etwas Eisenpulver in die Masse zu mengen. Woraufhin man natürlich statt der Rune aru die Rune fehr verwenden muss. Und damit der Anschluss wieder stimmt, müssen auch die Runen teh und ga ausgetauscht werden …
    Wie ihr seht, ist einfacher Mörtel doch ein zuverlässigeres Mittel, um Ziegelsteine miteinander zu verbinden.
    Ich studierte Sygaldrie bei Cammar. Der einäugige Mann mit dem Narbengesicht war derjenige, der entschied, wer zu Kilvin vorgelassen wurde. Erst wenn man ihm bewiesen hatte, dass man die Grundlagen der Sygaldrie beherrschte, wurde man einem der erfahreneren Handwerksmeister als Lehrling zugeteilt. Der Eleve assistierte ihm bei seinen Projekten und wurde im Gegenzug von ihm in die Feinheiten des Handwerks eingeweiht.
    Insgesamt gab es einhundertneunundsiebzig Runen, und es war, als lernte man eine neue Fremdsprache, bloß dass sie über fast zweihundert bis dahin unbekannte Buchstaben verfügte und man sich die Vokabeln oft selbst ausdenken musste. Die meisten Studenten brauchten mindestens einen Monat, bis Cammar sie für würdig erachtete, weiter fortzuschreiten. Manche brauchten ein ganzes Trimester.
    Ich schaffte es innerhalb von sieben Tagen.
    Wie kam das?
    Erstens war ich ein Getriebener. Andere Studenten konnten es sich leisten, bei ihrem Studium zu bummeln. Ihre Eltern oder Gönner kamen ja für die Unkosten auf. Ich dagegen musste schnell im Handwerkszentrum aufsteigen, damit ich meine eigenen Projekte verfolgen und Geld verdienen konnte. Die Studiengebühren waren nun nicht mehr meine Hauptsorge. Die war nun Devi.
    Zweitens war ich brillant. Und ich spreche hier nicht von gewöhnlicher Brillanz, sondern von außerordentlicher Brillanz.
    Drittens hatte ich schlicht und einfach Glück.

    Ich ging über die miteinander verbundenen Dächer des Hauptgebäudes, meine Laute auf dem Rücken. Es war schummrig, denn der Abend dämmerte, und es war bewölkt, aber ich kannte mich hier mittlerweile gut aus. Ich blieb auf den Teer- und Zinnflächen, denn ich wusste, dass die roten Ziegel und die grauen Schieferplatten oft glitschig waren.
    Im Zuge der Erweiterungen des Hauptgebäudes hatte man irgendwann einen Hof von jedem Zugang abgeschlossen. Er ließ sich nur noch betreten, indem man bei einem der Hörsäle durch ein hoch gelegenes Fenster stieg oder vom Dach einen knorrigen Apfelbaum hinabkletterte.
    Ich kam hierher, um Laute zu üben. Mein Platz im Schlafssal war dazu nicht geeignet. Nicht nur weil Musik auf dieser Seite des Flusses als frivol verschrien war, ich hätte mir auch

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