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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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den Tisch. Mit steifen Fingern bog ich die Hand auf, die den Docht hielt, und sah, dass sie blutig war. »Meister Dal«, sagte ich so schnell ich konnte. »Er hat Schüttelfrost.« Erst als ich das aussprach, merkte ich, wie kalt meine eigenen Lippen waren.
    Doch Dal war schon zur Stelle und legte Fenton eine Decke um die Schultern. »Du!« Er deutete aufs Geratewohl auf einen Studenten. »Hol jemanden aus der Mediho! Schnell!« Der Student lief hinaus. »So eine Unvernunft«, murmelte Meister Dal und musterte nun mich. »Du solltest ein bisschen auf und ab gehen. Du siehst auch nicht viel besser aus.«
    An diesem Tag fanden keine weiteren Duelle mehr statt. Die Studenten sahen zu, wie Fentons Lebensgeister unter Elxa Dals Fürsorge allmählich zurückkehrten, und als ein älterer El’the aus der Mediho eintraf, war Fenton schon wieder so weit aufgewärmt, dass er heftig zu schlottern begann. Nach einer weiteren Viertelstunde unter warmen Decken und dem behutsamen Einsatz der Sympathie war Fenton in der Lage, etwas Warmes zu trinken, aber seine Hände zitterten immer noch.
    Als der ganze Aufruhr schließlich vorüber war, war es schon fast drei Uhr. Meister Dal schaffte es, dass sich die Studenten noch einmal still hinsetzten, damit er ein paar Worte sagen konnte.
    »Was wir heute hier gesehen haben, war ein klassischer Fall von Binderfrost. Der menschliche Körper ist ein empfindlich Ding, und wenn die Körperwärme plötzlich um ein paar Grad sinkt, kann das negative Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. In schweren Fällen kann es einen Schock auslösen oder zu Hypothermie führen.« Dal sah sich um. »Kann mir jemand sagen, was Fenton falsch gemacht hat?« Kurz herrschte Schweigen. Dann hob jemand eine Hand. »Ja, Brae?«
    »Er hat Blut verwendet. Wenn die Wärme aus dem Blut entweicht, kühlt sich der Körper als Ganzes ab. Das ist nicht unbedingt von Vorteil, denn die Eingeweide vertragen keine so starke Abkühlung wie die Extremitäten.«
    »Warum sollte man dann überhaupt auf den Gedanken kommen, Blut einzusetzen?«
    »Weil es schneller Wärme spendet als Fleisch.«
    »Wie viel Wärme hätte er ohne Gefahr entziehen können?«, fragte Dal und sah sich im Saal um.
    »Zwei Grad?«, mutmaßte jemand.
    »Anderthalb«, berichtigte Dal und schrieb ein paar Formeln an die Tafel, die zeigen sollten, wie viel Wärme das ergab. »Und wie viel hat er angesichts seiner Symptome vermutlich entzogen?«
    Langes Schweigen. Dann meldete sich Sovoy. »Acht bis neun Grad.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Dal widerwillig. »Es ist schön, dass wenigstens einer von euch gelegentlich einen Blick in die Lehrbücher wirft.« Sein Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. »Sympathie ist nichts für schwache Geister, aber sie ist auch nichts für Leute mit übersteigertem Selbstvertrauen. Wenn wir nicht dagewesen wären und uns um Fenton gekümmert hätten, wäre er in aller Stille eingeschlafen und gestorben.« Er hielt inne, um seine Worte wirken zu lassen. »Es ist besser, seine Grenzen zu kennen, als sich zu überschätzen und damit Leben und Gesundheit zu riskieren.«
    Es schlug drei Uhr, und die Studenten erhoben sich, um zu gehen. Meister Dal sagte mit lauter Stimme: »E’lir Kvothe, bleibst du bitte noch einen Moment?«
    Ich verzog das Gesicht. Sovoy klopfte mir von hinten auf die Schulter und murmelte: »Glück.« Ich konnte nicht erkennen, ob er damit meinen Sieg meinte oder mir viel Glück wünschte.
    Als die anderen fort waren, wandte sich Meister Dal um und legte den Lappen weg, mit dem er die Tafel abgewischt hatte. »Na«, sagte er im Plauderton. »Wie war die Quote?«
    Ich war nicht überrascht, dass er von den Wetten wusste. »Elf zu eins«, sagte ich. Ich hatte zweiundzwanzig Jots gewonnen, also über zwei Talente. Das Geld in meiner Tasche wärmte mir das Herz.
    Er sah mich prüfend an. »Wie geht es dir? Du warst zum Schluss auch ganz schön blass.«
    »Nur ein leichtes Zittern«, log ich.
    In Wahrheit war ich in dem Durcheinander, das auf Fentons Zusammenbruch folgte, aus dem Saal geschlichen und hatte ein paar bange Minuten in einem abseits gelegenen Korridor verbracht. Ich hatte so schweren Schüttelfrost, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Glücklicherweise hatte mich niemand gesehen, wie ich dort schlotternd stand, die Zähne so fest zusammengebissen, dass ich fürchtete, sie könnten zerbrechen.
    Aber niemand hatte mich gesehen. Mein Ruf hatte nicht gelitten.
    Dal sah mich mit einem Blick

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