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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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nicht das Recht, dort auch aufzutreten. Musiker, die die Bühne des Eolian betreten wollten, mussten für dieses Privileg bezahlen, und zwar ein Silbertalent. Ganz recht: Die Leute bezahlten dafür, dass sie im Eolian auftreten durften, und nicht umgekehrt.
    Warum würde jemand einen solchen unerhörten Betrag zahlen, nur um Musik spielen zu dürfen? Nun, einige, die dort mit ihrem Silber zahlten, zählten zu den Reichen der Stadt, und für sie war einTalent kein allzu hoher Preis dafür, sich in so noblem Rahmen zur Schau stellen zu können.
    Doch auch professionelle Musiker zahlten. Wenn der Auftritt beim Publikum und den Inhabern gut genug ankam, erhielt man ein Abzeichen: eine kleine, silberne Panflöte, die man an einer Kette um den Hals tragen konnte. Und dieses Abzeichen wurde in fast jedem größeren Wirtshaus im Umkreis von zweihundert Meilen um Imre als Auszeichnung anerkannt.
    Mit dem Abzeichen hatte man im Eolian freien Eintritt und durfte dort spielen, wann immer man wollte.
    Die einzige Verpflichtung, die damit einherging, war, dass man auf die Bühne gerufen werden konnte. Es war jedoch in den meisten Fällen keine allzu schwere Bürde, denn die Adligen, die das Eolian frequentierten, pflegten die Musiker, die ihnen gefielen, reich zu beschenken. Das war die Oberschichtenversion des spendierten Gläschens für den armen Fiedler.
    Manche Musiker, die im Eolian auftraten, machten sich keine großen Hoffnungen, je ein Abzeichen erlangen zu können. Sie bezahlten dafür, hier auftreten zu können, weil man ja nie wusste, wer an diesem Abend im Publikum saß. Mit einem einzigen trefflich vorgetragenen Lied gewann man vielleicht kein Abzeichen, womöglich aber einen begüterten Gönner.
    Einen Gönner.

    »Du kommst nie drauf, was ich gehört habe«, sagte Simmon eines Abends, als wir auf unserem Stammplatz auf der Bank unter dem Fahnenmast saßen. Wir waren nur zu zweit, denn Wilem war unterwegs, einer Schankmagd im Anker’s schöne Augen zu machen. »Die Studenten hören nachts die seltsamsten Geräusche aus dem Hauptgebäude.«
    »Tatsächlich«, sagte ich mit vorgetäuschtem Desinteresse.
    »Ja. Manche sagen, es sei das Gespenst eines Studenten, der sich in dem Gebäude verlaufen hat und dort verhungert ist.« Er tippte sich mit dem Finger an den Nasenflügel, wie ein alter Mann, der eine Geschichte erzählt. »Sie sagen, er spukt dort bis zum heutigen Tag durch die Flure und findet nicht hinaus.«
    »Soso.«
    »Andere meinen, es sei ein böser Geist. Sie sagen, er quäle Tiere, vor allem Katzen. Das ist das Geräusch, das die Studenten spätabends hören: Er reißt den Katzen die Därme heraus und spielt darauf Musik. Es muss sich wirklich furchterregend anhören.«
    Ich sah ihn an. Er war kurz davor, in Gelächter auszubrechen. »Lass es nur raus«, sagte ich mit gespielter Schärfe. »Das hast du dir verdient, wo du doch so ausgesprochen clever bist. Trotz der Tatsache, dass heutzutage kein Mensch mehr auf Darmsaiten spielt.«
    Er gluckste vor Vergnügen. Ich nahm mir ein Stück von seinem Kuchen und aß es, hoffte, ihm eine wertvolle Lektion in Demut zu erteilen.
    »Du hast es also immer noch vor?«
    Ich nickte.
    Simmon wirkte erleichtert. »Und ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt. Ich habe dich in letzter Zeit gar nicht mehr deine Laute herumschleppen sehen.«
    »Das ist auch nicht mehr nötig«, erklärte ich. »Ich habe ja jetzt genug Zeit zum Üben. Da muss ich das nicht mehr zwischendurch in ein paar freien Minuten tun.«
    Eine Gruppe von Studenten ging vorüber, und einer von ihnen winkte Simmon zu. »Wann hast du es vor?«
    »Diesen Mourning«, sagte ich.
    »So bald schon?«, erwiderte Simmon. »Vor zwei Spannen hast du dir noch Sorgen gemacht, dein Können wäre viel zu eingerostet. Ist das alles so schnell wieder zurückgekommen?«
    »Nein, nicht alles«, erwiderte ich. »Es wird Jahre dauern, bis alles wieder da ist.« Ich zuckte die Achseln. »Aber es fällt mir jetzt wieder leichter. Die Musik endet nicht mehr in meinen Fingern, es ist –«, versuchte ich zu erklären und gab es dann mit einem Achselzucken auf. »Ich bin bereit.«
    Ehrlich gesagt, hätte ich gern noch einen Monat oder ein Jahr lang geübt, bevor ich womöglich ein ganzes Talent dabei verspielte. Doch mir blieb keine Zeit. Das Trimester war schon fast vorbei. Ichbrauchte Geld, um meine Schulden bei Devi begleichen und die Studiengebühren für das nächste Trimester bezahlen zu können. Ich konnte

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