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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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begann. Ich musste an Kilvins Warnung denken: Das Mittel ist nicht nur stark ätzend, sondern in gasförmigem Zustand auch leicht entflammbar, sobald es mit Luft in Kontakt kommt .
    In diesem Moment gab das Tischbein nach, und die Tischplatte begann sich zu neigen. Der bräunliche Metallbehälter fiel herunter. Als er auf dem Boden auftraf, war das Metall so kalt, dass er nicht aufbrach oder sich einbeulte, sondern zerplatzte wie Glas. Gallonen der dunklen Flüssigkeit brandeten über den Werkstattboden. Der Raum wurde von einem Knistern erfüllt, als sich der Knochenteer auf dem warmen Steinboden ausbreitete und zu kochen begann.
    Die Erbauer des Handwerkszentrums hatten seinerzeit etwa zwei Dutzend Abflussrinnen in den Werkstattboden eingelassen, die bei der Reinigung helfen und vergossene Flüssigkeiten ableiten sollten. Außerdem war der Boden so gewölbt, dass Flüssigkeiten unweigerlich in Richtung dieser Rinnen flossen. So lief die ölige Flüssigkeit aus dem zerplatzten Behälter nun in zwei entgegengesetzte Richtungen auf zwei verschiedene Rinnen zu. Gleichzeitig begann sie zu kochen und bildete über dem Boden dichte, teerschwarze, ätzende Wolken, die jeden Moment in Flammen aufgehen konnten.
    Eingeschlossen zwischen diesen beiden sich ausbreitenden dunklen Nebelwänden stand Fela, die allein an einer Werkbank in einer hinteren Ecke der Werkstatt gearbeitet hatte. Sie stand da und starrte entsetzt auf das, was sie sah. Sie trug praktische Arbeitskleidung,eine leichte Hose und ein dünnes Leinenhemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Ihr langes dunkles Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie würde brennen wie eine Fackel.
    Der Raum war nun von erregtem Rufen erfüllt. Die Leute brüllten Befehle oder schrien vor Panik. Sie ließen ihr Werkzeug fallen und stießen beim Herumlaufen halbfertige Projekte um.
    Fela hatte noch nicht geschrien oder um Hilfe gerufen, was bedeutete, dass ich als einziger bemerkt hatte, in welcher Gefahr sie schwebte. Kilvins Vorführung vor Augen, nahm ich an, dass die ganze Werkstatt binnen weniger Sekunden ein Flammenmeer sein würde. Es blieb keine Zeit …
    Ich sah mich auf den Werkbänken in meiner Nähe um, suchte nach irgendetwas, das mir helfen konnte. Aber da war nichts. Da lagen ein paar Basaltbrocken, Spulen aus Kupferdraht, eine halb beschriftete Glashalbkugel, die wahrscheinlich für eine von Kilvins Lampen bestimmt war …
    Da wusste ich mit einem Mal, was ich zu tun hatte. Ich nahm die Glashalbkugel und zerschlug sie an den Steinen. Zurück blieb unter anderem eine gebogene Glasscherbe, etwa so groß wie meine Hand. Mit der anderen Hand schnappte ich mir meinen Umhang und trat neben die Abzugshaube.
    Ich drückte meinen Daumen gegen die Kante der Scherbe und spürte einen scharfen Schmerz. Als ich sicher war, dass ich blutete, schmierte ich das Blut mit dem Daumen über das Glas und sprach eine Bindung. Vor der Löschbrause warf ich die Scherbe zu Boden, konzentrierte mich und zertrat sie dann unter dem Absatz.
    Eine Kälte, wie ich sie noch nie gespürt hatte, fuhr mir in die Glieder. Mit der Kälte eines Wintertages war das nicht mehr zu vergleichen. Sie traf mich wie ein Donnerschlag. Ich spürte sie in der Zunge, in der Lunge, in den Eingeweiden.
    Doch ich erreichte, was ich beabsichtigt hatte. Das Panzerglas des Wassertanks zerplatzte in tausend Stücke. Fünfhundert Gallonen Wasser knallten auf mich herab wie ein Fausthieb, drückten mich zurück und durchnässten mich schlagartig bis auf die Knochen. Dann lief ich los, zwischen den Werkbänken hindurch.
    Doch so schnell ich auch war, ich war doch nicht schnell genug.In einer Ecke der Werkstatt fing der Nebel Feuer, und seltsam scharf geformte, leuchtend rote Flammen loderten empor. Das Feuer würde den Teer erwärmen und dafür sorgen, dass er schneller zu kochen begann. Dies würde weiteren Nebel erzeugen, weitere Flammen, weitere Hitze.
    Während ich hinüberlief, breitete sich das Feuer aus. Es folgte den beiden Pfaden, die der Knochenteer hin zu den Abflussrinnen nahm. Das Feuer schoss empor, bildete nun zwei Flammenwände, die den hinteren Teil der Werkstatt praktisch abschnitten. Die Flammen reichten mir nun schon bis zu den Schultern und loderten immer höher.
    Fela war hinter ihrer Werkbank hervorgekommen und an der Wand entlang zu einer der Abflussrinnen gestürzt. Da der Knochenteer dort in einen Gully lief, war an der Wand eine Lücke, an die weder der Nebel noch die Flammen heranreichten. Fela

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