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Der Name Des Windes

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Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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wie klug.

Kapitel 66
    Flüchtig

    A m nächsten Morgen erwachte ich früh. Ich war nervös wegen des Mittagessens mit Denna. Da es sinnlos war, auf weiteren Schlaf zu hoffen, ging ich ins Handwerkszentrum. Nach den extravaganten Ausgaben des vergangenen Abends hatte ich noch genau drei Pennys in der Tasche, und ich wollte meine neue Stellung nutzen.
    Normalerweise arbeitete ich abends dort. Morgens sah es in der Werkstatt ganz anders aus. Es waren nur etwa fünfzehn bis zwanzig Leute da, die an ihren jeweiligen Projekten arbeiteten. Abends waren es meist doppelt so viele. Kilvin war wie immer in seinem Büro, aber die Atmosphäre war entspannter, und es ging nicht ganz so geschäftig zu.
    Ich entdeckte Fela in einer Ecke der Werkstatt. Sie bearbeitete ein etwa brotlaibgroßes Stück Obsidian mit einem Meißel. Wenn sie immer so früh kam, war es kein Wunder, dass ich sie hier nie gesehen hatte.
    Trotz Manets Warnung beschloss ich, als erstes Projekt einige blaue Emitter herzustellen. Das war nicht einfach, denn es erforderte den Einsatz von Knochenteer, aber diese Emitter ließen sich gut verkaufen, und ich würde nur etwa vier bis fünf Stunden dafür brauchen. So konnte ich also nicht nur rechtzeitig damit fertig sein, um mich im Eolian mit Denna zu treffen, sondern mir vielleicht von Kilvin auch einen kleinen Vorschuss auszahlen lassen, damit ich nicht mit fast leeren Taschen nach Imre gehen musste.
    Ich suchte mir das nötige Werkzeug zusammen und legte es unter einer der Abzugshauben an der Ostseite der Werkstatt bereit. Ich suchte mir eine Stelle in der Nähe einer Löschbrause aus, einem jenerTanks aus Panzerglas, die fünfhundert Gallonen Wasser fassten und von denen mehrere über die ganze Werkstatt verteilt waren. Wenn man bei der Arbeit eine gefährliche Substanz abbekam, zog man einfach am Griff der Brause und wurde dann von einem Wasserstrahl wieder sauber gespült.
    Die Löschbrause würde ich natürlich nicht brauchen, solange ich vorsichtig war. Aber für alle Fälle war es nett, so etwas in der Nähe zu haben.
    Als ich alles unter der Abzugshaube bereit gelegt hatte, ging ich zu dem Tisch, auf dem der Knochenteer stand. Ich wusste zwar, dass er auch nicht gefährlicher war als eine Steinsäge oder eine Sinterpresse, aber trotzdem war mir der bräunliche Metallbehälter nicht geheuer.
    An diesem Tag war etwas anders. Ich sprach einen erfahreneren Handwerker darauf an, der gerade vorüberging. Jaxim sah so abgespannt aus wie die meisten Handwerker, wenn sie mitten in einem wichtigen Projekt steckten, so als würde er das Schlafen aufschieben, bis sein Werk vollendet war.
    »Sollte da so viel Reif drauf sein?«, fragte ich ihn und zeigte auf den Knochenteerbehälter. Er war an den Rändern mit dichtem weißem Reif überzogen. Von dem Behälter gingen Kälteschwaden aus.
    Jaxim sah es sich an und zuckte dann die Achseln. »Besser zu kalt als nicht kalt genug«, sagte er mit einem humorlosen Kichern.
    Dem konnte ich nur zustimmen. Ich nahm an, dass es etwas damit zu tun hatte, dass es in der Werkstatt so früh morgens kälter war als sonst. Keiner der Brennöfen war angefeuert, und die Schmiedefeuer glommen auf kleiner Flamme vor sich hin.
    Mit großer Vorsicht vollzog ich das Abfüllen, achtete genau darauf, dass ich keinen Arbeitsschritt vergaß. Es war so kalt, dass mein Atem Wölkchen bildete. Der Schweiß auf meinen Handflächen sorgte dafür, dass meine Finger kurz am Verschluss des Behälters festfroren, so wie wenn ein neugieriges Kind mitten im tiefsten Winter mit der Zunge an einem Pumpenschwengel hängen bleibt.
    Ich füllte etwa eine Unze von der öligen Flüssigkeit in den Druckbehälter ab und verschloss ihn sofort wieder. Dann ging ich zurückan meinen Arbeitsplatz und fing an, meine Materialien vorzubereiten. Schließlich machte ich mich an die Fertigung der blauen Emitter.
    Zwei Stunden später riss mich eine Stimme hinter mir aus meiner konzentrierten Arbeit. Sie war nicht besonders laut, hatte aber eine Ernsthaftigkeit, wie man sie im Handwerkszentrum niemals überhörte.
    Sie sagte: »O Gott.«
    Weil ich gerade damit zu tun gehabt hatte, sah ich mich sofort zu dem Knochenteerbehälter um. Kalter Schweiß brach mir aus, als ich sah, dass aus dem Behälter schwarze Flüssigkeit auslief, an einem Tischbein hinab rann und sich auf dem Fußboden sammelte. Das dicke hölzerne Tischbein war schon fast durchgeätzt, und ich hörte es knistern, als die Flüssigkeit auf dem Boden zu kochen

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