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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Zahl müssen wir aber erst noch ermitteln.«
    Ich war sprachlos. »Aber … wie?«
    »Schnell.« Er machte mit seinen bandagierten Händen eine vielsagende Geste. »Aber nicht einfach.«

Kapitel 68
    Der ewig sich wandelnde Wind

    D ie nächsten Tage lief ich barfuß, ohne Umhang und in miserabler Stimmung umher. Der Reiz, den Helden zu spielen, verflog angesichts meiner Situation recht schnell. Ich besaß nur eine einzige Kleidergarnitur, und die war zerlumpt. Die Verbrennungen taten mir ständig weh. Mir fehlte das Geld, um mir Schmerzmittel oder neue Kleider zu kaufen. So kaute ich bittere Weidenrinde, und bitter waren auch die Gedanken, die ich hegte.
    Meine Armut lastete schwer auf mir. Noch nie zuvor war ich mir des Unterschieds zwischen den anderen Studenten und mir deutlicher bewusst gewesen. Alle hier an der Universität verfügten über ein Sicherheitsnetz, das sie notfalls auffangen würde. Sims Eltern waren aturische Adlige. Wil stammte aus einer reichen Kaufmannsfamilie. Wenn sie in Schwierigkeiten gerieten, konnten sie auf den Namen ihrer Familie einen Kredit aufnehmen oder einen Brief nach Hause schreiben.
    Ich hingegen konnte mir noch nicht einmal neue Schuhe leisten. Ich besaß nur ein Hemd. Wie konnte ich hoffen, all die Jahre an der Universität bleiben zu können, die es dauern würde, die Ausbildung zum Arkanisten abzuschließen? Wie konnte ich hoffen, akademisch aufzusteigen, wenn mir der Zugang zur Bibliothek verwehrt war?
    Bis zur Mittagszeit hatte ich mich in eine so düstere Laune hineingesteigert, dass ich Sim beim Essen in der Mensa anschnauzte und wir uns anschließend stritten wie ein altes Ehepaar. Wilem hielt sich heraus und widmete seine Aufmerksamkeit ausschließlich dem Essen. Um mich ein wenig aufzuheitern, luden sie mich schließlich für den nächsten Abend ins Theater nach Imre ein. Es wurde DreiWünsche frei gespielt. Ich ging gern mit, denn ich hatte gehört, dass Feltemis ursprüngliche Fassung aufgeführt wurde und nicht eine der zensierten Versionen. Das Stück passte bestens zu meiner Laune, war es doch von schwarzem Humor, Tragik und Verrat geprägt.
    Nach dem Mittagessen erfuhr ich, dass Kilvin meine Emitter bereits verkauft hatte. Da sie für eine ganze Zeit die letzten blauen Emitter sein würden, hatte er einen ansehnlichen Preis erzielt, und mein Anteil belief sich auf über anderthalb Talente. Ich nahm an, dass Kilvin mir gegenüber mit dem Preis etwas übertrieb und für meinen Anteil etwas von seinem eigenen Geld dazugelegt hatte. Das ging mir zwar gegen den Stolz, aber einem geschenkten Gaul schaut man nun mal nicht ins Maul.
    Doch auch das konnte meine Laune nicht so richtig bessern. Ich konnte mir jetzt neue Schuhe und einen neuen Umhang leisten, wenn auch bloß aus zweiter Hand. Und wenn ich das restliche Trimester wie ein Besessener schuftete, verdiente ich vielleicht genug Geld, um die Zinsen bei Devi und auch noch die Studiengebühren bezahlen zu können. Doch diese Gedanken lösten bei mir keine Freude aus, denn ich war mir mehr denn je bewusst, wie prekär meine Lage war. Meine Existenz hing buchstäblich an einem seidenen Faden.
    Als meine Stimmung auf einen neuen Tiefpunkt gesunken war, ließ ich an diesem Tag das Seminar über Höhere Sympathie sausen und ging statt dessen nach Imre. Der Gedanke, dass ich vielleicht Denna treffen würde, war das Einzige, was mich jetzt wieder aufheitern konnte. Außerdem musste ich ihr ja noch erklären, warum ich nicht zu unserer Verabredung zum Mittagessen gekommen war.
    Auf dem Weg zum Eolian kaufte ich mir ein Paar Wanderstiefel, die warm genug waren für den nahenden Winter. Danach war mein Geldbeutel wieder so gut wie leer. Nachdem ich den Schusterladen verlassen hatte, zählte ich, was mir noch geblieben war: drei Jots und ein Deut. Als Straßenkind in Tarbean hatte ich mehr Geld gehabt …

    »Heute kommst du zur rechten Zeit«, sagte Deoch, als ich zum Eolian kam. »Es wartet jemand auf dich.«
    Ein Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit, und ich klopfte ihm auf die Schulter und ging hinein.
    Doch statt Denna sah ich Fela allein an einem Tisch sitzen. Stanchion stand dabei und plauderte mit ihr. Als er mich sah, winkte er mich herbei und zog sich dann, nachdem er mir im Vorbeigehen noch auf die Schulter geklopft hatte, auf seinen Stammplatz am Tresen zurück.
    Als sie mich erkannte, sprang Fela auf und lief auf mich zu. Einen Moment lang glaubte ich, sie würde mir direkt in die Arme laufen, so als

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