Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
in einer Person«, sagte sie und lachte. Dann nahm sie meine Hand. »Komm. Ich habe etwas für dich.«
    Fela führte mich an den Tisch, an dem sie gesessen hatte, und überreichte mir ein zusammengelegtes Kleidungsstück. »Ich habe Wil und Sim gefragt, was ich dir schenken könnte, und das erschien mir passend …« Sie hielt inne, mit einem Mal scheu.
    Es war ein Umhang. Er war dunkelgrün, aus bestem Stoff und schön geschnitten. Und er war nicht aus zweiter Hand. Es war ein Kleidungsstück, wie es für mich immer unerschwinglich gewesen war.
    »Ich habe den Schneider viele kleine Taschen hineinnähen lassen«, sagte sie nervös. »Wil und Sim meinten, das wäre wichtig.«
    »Er ist wunderschön«, sagte ich.
    Da strahlte sie wieder. »Die Maße musste ich schätzen«, sagte sie. »Komm, wir schauen mal, ob er passt.« Sie nahm den Umhang, legte ihn mir um die Schultern und umfasste mich dabei in einer Geste, die wie eine Umarmung wirkte.
    Ich stand, um Felas Formulierung zu gebrauchen, so starr da wie ein verängstigtes Kaninchen. Sie war mir so nah, dass ich ihre Wärme spüren konnte, und als sie sich vorbeugte, um mir den Umhang über die Schulter zu ziehen, strich sie mit einer Brust sacht über meinen Arm. Ich stand vollkommen reglos. Und über Felas Schulter hinweg sah ich Deoch am Eingang grinsen.
    Fela trat einen Schritt zurück, beäugte mich kritisch, trat dann wieder näher und zog mir den Umhang über der Brust ein wenig zusammen. »Passt«, sagte sie. »Und die Farbe bringt deine Augen gut zur Geltung. Nicht dass sie das nötig hätten. Sie sind das Grünste, was ich heute gesehen habe. Grün wie der Frühling.«
    Als Fela wieder von mir wegtrat, sah ich eine mir wohl bekannte Gestalt zum Ausgang hinaushuschen. Denna. Ich sah sie nur ganz kurz im Profil, erkannte sie aber so sicher, wie ich meine eigenen Hände erkennen würde. Was sie gesehen und welche Schlüsse sie daraus gezogen hatte, konnte ich nur vermuten.
    Im ersten Moment wollte ich ihr nachlaufen. Ihr erklären, warum ich zwei Tage zuvor nicht zu unserer Verabredung erschienen war. Mich bei ihr entschuldigen. Ihr klar machen, dass das Mädchen, das da gerade ihre Arme um mich gelegt hatte, mir nur ein Geschenk gemacht hatte, weiter nichts.
    Fela strich den Umhang über meinen Schultern glatt und sah mich mit Augen an, in denen noch kurz zuvor Tränen geglänzt hatten.
    »Er passt wie angegossen«, sagte ich, betastete prüfend den Stoff und schwang den Umhang hin und her. »So etwas Schönes habe ich gar nicht verdient, und das wäre wirklich nicht nötig gewesen – ich danke dir.«
    »Ich wollte dir zeigen, wie dankbar ich dir dafür bin, was du getan hast.« Sie legte mir wieder eine Hand auf den Arm. »Und das ist doch gar nichts. Wenn ich irgendetwas für dich tun kann, irgendwann einmal … Du kannst immer zu mir kommen.« Sie hielt inne und sah mich fragend an. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Ich schaute an ihr vorbei zum Ausgang. Denna konnte mittlerweile wer weiß wo sein. Ich hätte sie nicht mehr eingeholt.
    »Ja«, log ich. »Alles bestens.«

    Fela brachte mir etwas zu trinken, und wir plauderten eine Weile über Kleinigkeiten. Ich war überrascht, als ich erfuhr, dass sie in den letzten Monaten mit Elodin zusammengearbeitet hatte. Sie war für ihn als Bildhauerin tätig gewesen, und im Gegenzug hatte er sie gelegentlich unterrichtet. Sie verdrehte beim Erzählen die Augen. Er hatte die Angewohnheit, sie mitten in der Nacht aus dem Bett zu scheuchen und zu einem stillgelegten Steinbruch nördlich der Stadt mitzunehmen. Er schmierte ihr sogar feuchten Ton in die Schuhe und zwang sie, den ganzen Tag darin herumzulaufen. Er hatte es gewagt … Sie wurde rot, schüttelte den Kopf und erzählte die Geschichte nicht zu Ende. Ich war zwar neugierig, wollte sie aber nicht in Verlegenheit bringen. Also fragte ich nicht weiter nach, und wir einigten uns darauf, dass er mehr als nur ein bisschen wahnsinnig sei.
    Und die ganze Zeit saß ich mit dem Blick zum Eingang und hoffte vergeblich, dass Denna wiederkommen würde und ich ihr alles erklären konnte.
    Schließlich musste Fela zurück zur Universität. Sie hatte ein Mathematikseminar. Ich blieb im Eolian , hielt mich an meinem Glas fest und überlegte, wie ich die Dinge zwischen Denna und mir wieder zum Guten wenden konnte. Ich hätte mich gern aus Selbstmitleid so richtig betrunken, aber dazu fehlten mir die Mittel, und so humpelte ich, als die Sonne unterging, langsam

Weitere Kostenlose Bücher