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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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heim.

    Erst als ich mich bereit machte, wieder einmal auf das Dach des Hauptgebäudes zu steigen, wurde mir die Bedeutung von etwas bewusst, das Kilvin mir gesagt hatte. Wenn der Knochenteer größtenteils in die Gullys abgelaufen war …
    Auri! Sie lebte in den Tunneln unter der Universität! Ich lief so schnell zur Mediho, wie meine Erschöpfung und meine Schmerzen es mir gestatteten. Auf halber Strecke entdeckte ich Mola, die gerade einen Hof überquerte. Ich rief nach ihr und winkte ihr zu.
    Mola betrachtete mich argwöhnisch, als ich näher kam. »Du willst mir doch nicht etwa ein Ständchen bringen, oder?«
    Ich nahm meinen Lautenkasten ab und schüttelte den Kopf. »Du musst mir einen Gefallen tun«, sagte ich. »Eine Freundin von mir ist vielleicht verletzt.«
    Sie seufzte. »Dann solltest du …«
    »Ich kann mit ihr nicht in die Mediho gehen. Bitte, Mola«, sagte ich eindringlich. »Es dauert höchstens eine halbe Stunde, versprochen, aber wir müssen sofort los. Ich mache mir Sorgen, dass es vielleicht schon zu spät sein könnte.«
    Etwas an meinem Tonfall überzeugte sie. »Was hat deine Freundin denn?«
    »Vielleicht Verbrennungen, vielleicht Verätzungen, vielleicht eine Rauchvergiftung. Wie die Leute, die gestern bei dem Brand im Handwerkszentrum waren. Und vielleicht auch schlimmer.«
    Mola ging los. »Ich hole meine Tasche aus meinem Zimmer.«
    »Ich warte hier«, sagte ich und setzte mich auf eine Bank. »Ich würde dich nur aufhalten.«
    Ich saß dort und versuchte meine vielfältigen Verletzungen und Verbrennungen zu ignorieren, und als Mola zurückkam, führte ich sie zur Südwestseite des Hauptgebäudes, wo drei mächtige Schornsteine in den Himmel ragten. »Hier können wir aufs Dach steigen.«
    Sie sah mich verwundert an, stellte aber keine Fragen.
    Ich stieg langsam zum Dach hinauf, wobei ich vorragende Feldsteine als Halt für Hände und Füße nutzte. Es war eine der einfacheren Methoden, auf das Dach des Hauptgebäudes zu gelangen. Ich hatte sie gewählt, weil ich nicht wusste, wie gut Mola klettern konnte, aber auch, weil ich mich mit meinen Verletzungen nicht besonders beweglich fühlte.
    Mola folgte mir aufs Dach. Sie trug immer noch ihre dunkle Dienstkleidung aus der Mediho und hatte sich in ihrem Zimmer noch einen grauen Umhang übergeworfen. Die Nacht war wolkenlos, und die Sichel des Mondes leuchtete uns den Weg.
    »Wenn ich es nicht besser wüsste«, sagte Mola, als wir gerade um einen Ziegelsteinschlot herumgingen, »würde ich glauben, dass du mich irgendwo hinlockst, um unanständige Dinge mit mir zu tun.«
    »Und wieso glaubst du das nicht?«, fragte ich leichthin.
    »Weil du nicht der Typ für so was bist«, sagte sie. »Und außerdem kannst du ja kaum noch gehen. Wenn du mir an die Wäsche gehen würdest, würde ich dich einfach vom Dach schubsen.«
    »Nimm bloß keine Rücksicht auf meine Gefühle«, sagte ich und kicherte. Dann stolperte ich über einen First, den ich übersehenhatte, und wäre fast gestürzt, denn mein geschwächter Körper reagierte zu langsam. Ich setzte mich auf eine leicht erhöhte Stelle des Daches und wartete, bis das Schwindelgefühl wieder verflogen war.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Mola.
    »Nein, wahrscheinlich nicht«, sagte ich und erhob mich mit Mühe wieder. »Es ist gleich hinter diesem Dach. Du bleibst am besten erst mal zurück und bist ganz still. Nur für alle Fälle.«
    Ich ging bis an die Dachkante und sah zu der Hecke und dem Apfelbaum hinunter. Die Fenster waren dunkel.
    »Auri?«, rief ich leise. »Bist du da?« Ich wartete und machte mir mit jeder Sekunde, die verging, größere Sorgen. »Auri, bist du verletzt?«
    Keine Antwort. Ich fluchte leise vor mich hin.
    Mola verschränkte die Arme. »Also. Ich habe hier schon eine ganze Menge Geduld bewiesen, finde ich. Würdest du mir jetzt bitte mal erklären, was hier vor sich geht?«
    »Folge mir, dann erkläre ich es dir.« Ich ging zu dem Apfelbaum und kletterte vorsichtig hinunter. Dann ging ich um die Hecke herum zu dem Entwässerungsgitter. Der von dem Knochenteer ausgehende Ammoniakgestank drang heraus; schwach, aber deutlich wahrnehmbar. Ich zog an dem Gitter, und es ließ sich ein Stück weit öffnen, aber dann klemmte es. »Ich habe hier vor ein paar Monaten ein Mädchen kennengelernt«, sagte ich. »Sie lebt da unten. Ich mache mir Sorgen, dass sie vielleicht verletzt ist. Von dem Mittel im Handwerkszentrum ist viel in die Kanalisation geflossen.«
    Mola schwieg für

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