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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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einen Moment. »Ist das dein Ernst?« Ich tastete im Dunkeln unter dem Gitter herum und versuchte herauszubekommen, wie Auri verhindert hatte, dass es sich ganz öffnen ließ. »Was für ein Mensch würde denn da unten leben?«
    »Ein verängstigter Mensch«, erwiderte ich. »Ein Mensch, der Angst hat vor Lärm und Menschen und dem offenen Himmel. Ich habe fast einen Monat gebraucht, bis ich sie da aus den Tunneln herauslocken konnte, und noch länger, bis sie das erste Mal mit mir gesprochen hat.«
    Mola seufzte. »Wenn du nichts dagegen hast, setze ich mich hin.« Sie ging zu der Bank. »Ich bin schon den ganzen Tag auf den Beinen.«
    Ich tastete weiter unter dem Gitter umher, konnte aber keinenHaken entdecken. Schließlich packte ich das Gitter mit beiden Händen und zog mehrmals mit aller Kraft daran. Ein widerhallendes metallisches Geräusch erklang, aber das Gitter ließ sich nicht anheben.
    »Kvothe?« Ich blickte zur Dachkante hinauf und sah Auri dort oben stehen, als Silhouette vor dem Nachthimmel, und ihr feines Haar bildete eine kleine Wolke um ihren Kopf.
    »Auri!« Die Anspannung ließ nach, und ich merkte mit einem Schlag wieder, wie erschöpft ich eigentlich war. »Wo warst du denn?«
    »Da waren Wolken«, sagte sie und ging um das Dach herum zu dem Apfelbaum. »Da habe ich dich ganz oben gesucht. Aber jetzt ist der Mond rausgekommen, und deshalb komme ich zurück.«
    Auri stieg den Baum hinab und blieb abrupt stehen, als sie Mola in dem grauen Umhang auf der Bank sitzen sah.
    »Ich habe eine Freundin mitgebracht, Auri«, sagte ich in meinem allersanftesten Tonfall. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
    Es entstand eine lange Pause. »Ist sie nett?«
    »Ja, sie ist sehr nett.«
    Auri beruhigte sich und kam ein paar Schritte näher. »Ich habe dir eine Feder mitgebracht, noch mit dem Frühlingswind drin, aber weil du so spät kommst …«, sagte sie und sah mich streng an, »kriegst du statt dessen eine Münze.« Sie streckte sie mir auf Armeslänge entgegen, hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger. »Die schützt dich nachts.« Sie war geformt wie eine aturische Bußmünze, schimmerte im Mondschein aber silbern. So ein Geldstück hatte ich noch nie gesehen.
    Ich kniete mich hin, öffnete meinen Lautenkasten und holte ein kleines Päckchen hervor. »Hier sind ein paar Tomaten und Bohnen und etwas ganz Besonderes.« Ich hielt ihr den kleinen Beutel hin, für den ich zwei Tage zuvor, bevor der ganze Ärger angefangen hatte, so viel Geld ausgegeben hatte. »Meersalz.«
    Auri nahm den Beutel und spähte hinein. »Das ist aber lieb, Kvothe. Was ist denn in dem Salz?«
    Spurenelemente , dachte ich. Chrom, Bassal, Malium, Jod … Alles, was dein Körper braucht, aber wahrscheinlich nicht kriegt, wenn ich dich nicht finde und du dich wahrscheinlich nur von Äpfeln und Brotresten ernährst und was du dir sonst noch so beschaffen kannst.
    »Die Träume der Fische«, sagte ich. »Und viele Seemannslieder.«
    Auri nickte zufrieden, setzte sich, breitete das Tuch aus, in das ich die Lebensmittel eingeschlagen hatte, und legte sich ihr Essen so sorgfältig zurecht, wie sie das immer tat. Ich sah ihr zu, wie sie zu essen begann, erst eine grüne Bohne in das Salz tunkte und dann davon abbiss. Sie schien keine Verletzungen zu haben, doch in dem schummrigen Mondschein konnte man das nicht so genau erkennen. Ich musste es genau wissen. »Geht es dir gut, Auri?«
    Sie neigte den Kopf und sah mich neugierig an.
    »Da war ein großes Feuer. Und viel davon ist in die Kanalisation gelangt. Hast du es gesehen?«
    »O Gott, ja«, sagte sie und bekam große Augen. »Das war überall. Und die Mäuse und Waschbären sind davor weggelaufen und wollten alle raus.«
    »Hast du etwas davon abbekommen?«, fragte ich. »Hast du dich verbrannt?«
    Sie schüttelte den Kopf und grinste verschmitzt, wie ein kleines Mädchen. »O nein. Mich hat es nicht gekriegt.«
    »Bist du dem Feuer nahe gekommen?«, fragte ich. »Hast du etwas von dem Rauch eingeatmet?«
    »Warum sollte ich Rauch einatmen?« Auri sah mich an, als wäre ich ein sehr dummer Mensch. »Aber das ganze Unterding stinkt jetzt nach Katzenpisse.« Sie verzog die Nase. »Bis auf den Tiefgang und Schwaden.«
    Ich atmete auf, sah aber, dass Mola auf der Bank unruhig wurde. »Auri, darf meine Freundin zu uns kommen?«
    Auri erstarrte, eine Bohne in der Hand, auf halber Strecke zum Mund. Dann beruhigte sie sich wieder und nickte.
    Ich winkte Mola zu, und sie kam langsam zu uns.

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