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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Wenn es keine Raffinerie war, dann wohl ein Bergwerk. Ich hielt die Zügel in der Hand, jederzeit bereit, Selhans Kopf hochzuziehen, falls er versuchen sollte, davon zu saufen, aber er war nicht so dumm.
    Einen ausgedehnten Kanter später kamen wir über einen Hügel, und drunten, in einem kleinen, mit Gras bewachsenen Tal erblickte ich eine Straßenkreuzung. Unter den Wegweisern sah ich einen fahrenden Kessler mit zwei Eseln. Der eine Esel war so hoch mit Taschen und Bündeln beladen, dass es aussah, als würde er jeden Moment umkippen. Der andere Esel trug keine Last und graste am Rande der unbefestigten Straße, neben einem großen Gepäckhaufen.
    Der Kessler saß auf einem kleinen Hocker am Straßenrand und sah niedergeschlagen aus. Als er mich den Hügel herabreiten sah, hellte sich seine Miene auf.
    Ich las die Schilder, als ich näher kam. Richtung Norden ging es nach Trebon. Im Süden lag Temfalls. An dem Wegweiser angelangt, machte ich Halt. Keth-Selhan und ich konnten eine kleine Pause gut gebrauchen, und ich hatte es nicht so eilig, dass ich zu einem Kessler unhöflich sein wollte. Nicht einmal halb so eilig. Er konnte mir zumindest verraten, wie weit es noch nach Trebon war.
    »Hallo!«, sagte er, sah zu mir hoch und schirmte sich dabei die Augen mit einer Hand ab. »Du siehst mir doch wie ein junger Mann aus, der etwas braucht.« Er war ein alter Mann mit einer Halbglatze und einem runden, freundlichen Gesicht.
    Ich lachte. »Ich bräuchte viele Dinge, aber ich glaube nicht, dass Ihr welche davon habt.«
    Er lächelte einnehmend. »Na na, nicht so vorschnell …« Er senkte einen Moment lang nachdenklich den Blick. Als er mich wieder ansah, war seine Miene immer noch freundlich, aber ernster. »Ich will ehrlich zu dir sein, mein Junge. Mein kleiner Esel hat sich einen Stein in den Huf gelaufen und kann seine Last nicht mehr tragen. Ich hänge hier fest, bis mir jemand hilft.«
    »Unter normalen Umständen würde ich nichts lieber tun, als Euch zu helfen«, sagte ich. »Aber ich muss nach Trebon, so schnell ich kann.«
    »Das ist nicht mehr weit.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Hügel im Norden. »Nur noch etwa eine halbe Meile. Wenn der Wind anders stünde, könntest du schon den Rauch riechen.«
    Ich blickte in die Richtung und sah hinter dem Hügel tatsächlich Schornsteinrauch aufsteigen. Große Erleichterung überkam mich. Ich hatte es geschafft, und es war gerade erst ein Uhr mittags.
    Der Kessler fuhr fort: »Ich muss zum Hafen von Evesdown.« Er nickte nach Osten. »Ich habe eine Fahrt den Fluss hinab gebucht und würde mein Schiff nur sehr ungern verpassen.« Er beäugte mein Pferd. »Aber ich brauche ein neues Lasttier, um meine ganze Ausrüstung zu transportieren …«
    Es schien, als hätte ich endlich einmal Glück gehabt. Selhan war ein gutes Pferd, aber wenn ich erst einmal in Trebon war, würde er mir nur die Haare vom Kopf fressen.
    Aber es ist nie klug, wenn man sich anmerken lässt, dass man etwas verkaufen will. »Er wäre als Lasttier doch viel zu schade«, sagte ich und tätschelte meinem Hengst den Hals. »Er ist ein reinrassiger Khershaner, und ich kann Euch sagen, dass ich in meinem ganzen Leben noch kein besseres Pferd gesehen habe.«
    Der Kessler musterte ihn skeptisch. »Er ist völlig erschöpft«, erwiderte er. »Er kommt doch fast auf dem Zahnfleisch daher.«
    Ich saß ab, und meine Beine, die sich anfühlten wie aus Gummi, hätten mich fast im Stich gelassen. »Selbst wenn. Er hat heute immerhin schon die ganze Strecke von Imre bis hierher zurückgelegt.«
    Der Kessler kicherte. »Du bist kein schlechter Lügner, Junge, aber man muss auch wissen, wann Schluss ist. Wenn der Köder zu groß ist, beißt der Fisch nicht an.«
    Ich war entgeistert. »Entschuldigt bitte, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe.« Ich streckte ihm meine Hand entgegen. »Ich heiße Kvothe und bin ein Edema Ruh. Nicht einmal in der allergrößten Not würde ich einen Kessler belügen.«
    Der Kessler schüttelte mir die Hand. »Nun«, sagte er, etwas verblüfft, »dann bitte ich dich und deine Familie um Verzeihung. Man trifft nur so selten einen von euch alleine an.« Er beäugte das Pferd. »Die ganze Strecke von Imre bis hierher, sagst du?« Ich nickte. »Aber das sind doch über sechzig Meilen. Ein unglaublicher Ritt …« Er sah mich mit einem vielsagenden Lächeln an. »Wie geht es deinen Beinen?«
    Ich grinste. »Sagen wir mal so: Ich bin froh, wieder festen Boden unter den

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