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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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selbst ein paar Zeichen hin. »Das ist clever. Da braucht man nie mehr als zwei oder drei Striche pro Wort.«
    Der Chronist sah Kvothe schweigend zu.
    Kvothe bemerkte es nicht, seine Aufmerksamkeit war ganz auf das Blatt gerichtet. »Wenn das ›am‹ bedeutet, müssen das die A-Laute sein.« Er wies auf eine Reihe von Zeichen, die der Chronist niedergeschrieben hatte. »A, ah, au. Dann sind das die Os.« Kvothe nickte und drückte dem Chronisten wieder die Feder in die Hand. »Jetzt zeigt mir die Konsonanten.«
    Der Chronist schrieb sie wie benommen hin und sprach dabei die entsprechenden Laute aus. Kvothe übernahm erneut die Feder und stellte die Liste eigenhändig fertig, wobei er den völlig verblüfften Chronisten bat, ihn zu berichtigen, falls er etwas falsch machte.
    Der Chronist sah und hörte, wie Kvothe die Liste vervollständigte. Das Ganze dauerte gut eine Viertelstunde. Und er hatte nichts falsch gemacht.
    »Ein wunderbar effizientes System«, sagte Kvothe anerkennend. »Vollkommen logisch. Habt Ihr das selber entwickelt?«
    Der Chronist brauchte eine ganze Weile, bis er darauf etwas erwiderte. Er starrte die Zeichenreihen auf dem Blatt an. Schließlichfragte er, ohne Kvothes Frage zu beachten: »Habt Ihr tatsächlich an einem Tag Tema gelernt?«
    Kvothe lächelte ein wenig und schlug den Blick nieder. »Das ist eine alte Geschichte. Das hatte ich schon fast vergessen. Nein, es hat anderthalb Tage gedauert. Anderthalb Tage ohne Schlaf. Warum fragt Ihr?«
    »Ich habe an der Universität davon gehört. Ich habe es nie glauben können.« Er betrachtete seine Chiffren in Kvothes reinlicher Handschrift. »Vollständig?«
    Kvothe blickte verwirrt. »Wie bitte?«
    »Habt Ihr die ganze Sprache gelernt?«
    »Nein. Natürlich nicht«, sagte Kvothe leicht gereizt. »Nur einen Teil davon. Einen großen Teil, das wohl schon, aber ich glaube nicht, dass man irgendetwas vollständig lernen kann, und schon gar keine Sprache.«
    Kvothe rieb sich die Hände. »Also, seid Ihr bereit?«
    Der Chronist schüttelte den Kopf, wie um ihn klar zu bekommen, nahm sich ein frisches Blatt Papier und nickte.
    Kvothe hob eine Hand, um den Chronisten vom Schreiben abzuhalten, und sagte: »Ich habe diese Geschichte noch nie erzählt, und ich bezweifle, dass ich sie jemals wieder erzählen werde.« Er beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Ehe wir anfangen, müßt Ihr bedenken, dass ich den Edema Ruh angehöre. Wir haben schon vor dem Brand von Caluptena Geschichten erzählt. Als es noch keine Bücher gab, um sie aufzuzeichnen. Als es noch nicht einmal Musik gab. Als das erste Lagerfeuer entzündet wurde, saßen wir Ruh in seinem flackernden Lichtkreis und erzählten einander Geschichten.«
    Kvothe nickte dem Schreiber zu. »Ich weiß, Ihr steht in dem Ruf, ein großer Geschichtensammler und Chronist zu sein.« Kvothes Blick wurde hart wie Feuerstein, scharf wie Glassplitter. »Aber ich warne Euch: Maßt Euch nicht an, auch nur ein Wort von dem zu ändern, was ich sage. Wenn ich abzuschweifen scheine, wenn es scheint, als würde ich vom Thema abkommen, dann denkt daran, dass eine gute Geschichte nur selten den direkten Weg nimmt.«
    Der Chronist nickte ernst. Er versuchte sich einen Intellekt vorzustellen, der binnen nicht einmal einer Stunde seine Geheimschrift zuentschlüsseln vermochte. Einen Intellekt, der binnen eines Tages eine Sprache lernen konnte.
    Kvothe lächelte freundlich und sah sich im Raum um, so als wollte er ihn sich einprägen. Der Chronist tunkte seine Feder in die Tinte, und Kvothe sah so lange auf seine gefalteten Hände, wie es dauert, dreimal tief durchzuatmen.
    Dann begann er zu erzählen.

    »In mancher Hinsicht fing alles damit an, dass ich sie singen hörte. Ihre Stimme verband sich, vermengte sich mit meiner. Ihre Stimme war ein Bildnis ihrer Seele: Wild wie loderndes Feuer, scharf wie Glassplitter, lieblich und rein.«
    Kvothe schüttelte den Kopf. »Nein. Es begann an der Universiät. Ich ging dorthin, um Magie zu studieren, Magie, wie man sie aus Geschichten kennt, Magie wie bei Taborlin dem Großen. Ich wollte den Namen des Windes erlernen. Ich wollte Feuer und Blitz. Ich wollte Antworten auf Tausende Fragen und Zugang zur dortigen Bibliothek. Doch was ich an der Universität fand, war ganz und gar nicht so wie in den Geschichten, und ich war entsetzt.
    Eigentlich aber beginnt die Geschichte wohl mit dem, was mich dazu brachte, die Universität zu besuchen. Unerwartete Feuer in der Abenddämmerung. Ein Mann

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