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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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aufzutreten.«
    Der Bürgermeister schüttelte den Kopf und machte keine Anstalten, das Schreiben unseres Schirmherrn in Augenschein zu nehmen. »Die Leute geraten jedesmal außer Rand und Band«, sagte er mit Entschiedenheit. »Beim letzten Mal ist es während der Aufführung zu einem fürchterlichen Krawall gekommen. Die Leute trinken zuviel und sind viel zu aufgekratzt. Sie haben im Wirtshaus die Türen herausgerissen und die Tische zerschlagen. Das Wirtshaus gehört der Stadt. Die Stadt muss für die Reparaturen aufkommen.«
    Mittlerweile erregten unsere Wagen Aufmerksamkeit. Trip jonglierte ein wenig. Marion und seine Frau führten ein improvisiertesMarionettentheater auf. Ich saß hinten in unserem Wagen und sah meinem Vater zu.
    »Wir wollen euch und euern Schirmherrn ganz gewiss nicht kränken«, sagte der Bürgermeister. »Aber einen weiteren derartigen Abend kann sich die Stadt schlicht und einfach nicht leisten. Als Geste des guten Willens bin ich bereit, jedem von euch eine Kupfermünze zu zahlen, sagen wir zwanzig Penny, einfach nur, damit Ihr weiterzieht und uns hier keine Schwierigkeiten macht.«
    Nun muss man dazu wissen, dass zwanzig Penny für eine dahergelaufene Lumpentruppe, die von der Hand in den Mund lebt, eine schöne Summe gewesen wäre. Für uns aber war das schlicht eine Unverschämtheit. Er hätte uns vierzig bieten müssen, damit wir an diesem Abend aufgetreten wären, dazu die freie Verwendung des Wirtshauses, gute Verpflegung und Herbergszimmer für die Nacht. Letzteres hätten wir dankend abgelehnt, denn die Betten dort waren zweifellos voller Flöhe, und die in unseren Wagen waren das nicht.
    Wenn mein Vater verblüfft oder beleidigt war, so ließ er es sich nicht anmerken. »Einpacken!«, rief er, hinter sich gewandt.
    Trip steckte fix seine Jongliersteine ein. Einige Dutzend Bürger der Stadt machten ihrer Enttäuschung Luft, als die Marionetten mitten im Spiel innehielten und wieder weggepackt wurden. Der Bürgermeister wirkte erleichtert, holte seinen Geldbeutel hervor und nahm zwei Silberpennys heraus.
    »Ich werde dem Baron von Eurer Großzügigkeit berichten«, sagte mein Vater mit Bedacht, als ihm der Bürgermeister die Münzen in die Hand legte.
    Der Bürgermeister erstarrte. »Dem Baron?«
    »Baron Greyfallow.« Mein Vater hielt inne und wartete ab, ob dem Gesicht des Bürgermeisters ein Funke der Erkenntnis anzusehen war. »Dem Herrn über die östlichen Marschen, Hudumbran-by-Thiren und die Wydeconte Hills.« Mein Vater blickte zum Horizont. »Wir sind hier doch noch in den Wydeconte Hills, oder etwa nicht?«
    »Nun, ja«, sagte der Bürgermeister. »Aber Squire Semelan …«
    »Oh, wir befinden uns hier auf Semelans Lehen?«, sagte mein Vater und sah sich um, als finde er sich jetzt erst wieder zurecht. »Ein schlanker Herr mit einem schmucken kleinen Bart?« Er rieb sich dasKinn. Der Bürgermeister nickte wie benommen. »Ein reizender Mensch, und er hat eine sehr schöne Singstimme. Wir haben ihn kennengelernt, als wir vergangenen Mittwinter dem Baron aufspielten.«
    »Selbstverständlich«, sagte der Bürgermeister und machte eine bedeutsame Pause. »Dürfte ich Euer Schreiben sehen?«
    Ich sah zu, wie der Bürgermeister es las. Es dauerte eine ganze Weile, denn mein Vater hatte sich nicht die Mühe gemacht, sämtliche Titel des Barons zu nennen, der außerdem auch noch Viscount von Montrone und Lord von Trelliston war. Letztlich sah es so aus: Es stimmte zwar, dass dieses Städtchen und das Land ringsumher Squire Semelan unterstanden, doch schuldete dieser Greyfallow Lehenstreue. Konkreter gesagt: Greyfallow war der Kapitän dieses Schiffs, und Semelan schrubbte die Planken und salutierte ihm.
    Der Bürgermeister faltete das Pergament wieder zusammen und gab es meinem Vater zurück. »Ich verstehe.«
    Das war alles. Ich weiß noch, wie verblüfft ich war, als sich der Bürgermeister weder entschuldigte noch meinem Vater mehr Geld anbot.
    Mein Vater schwieg ebenfalls einen Moment lang und fuhr dann fort: »Ihr habt in dieser Stadt das Sagen, Sir. Aber wir treten so oder so auf. Entweder hier oder gleich hinter der Stadtgrenze.«
    »Das Wirtshaus könnt Ihr nicht benutzen«, sagte der Bürgermeister mit Bestimmtheit. »Ich lasse nicht zu, dass es schon wieder demoliert wird.«
    »Wir könnten hier an Ort und Stelle auftreten«, sagte mein Vater und wies auf den Marktplatz. »Hier ist genug Platz, und dann bliebe jedermann in der Stadt.«
    Der Bürgermeister zögerte,

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