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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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das Wintersonnenwendfest und die Solinadenspiele zusammen. Unsere Truppe fuhr meist mindestens auf acht Wagen und bestand aus über zwei Dutzend Künstlern – Schauspieler und Akrobaten, Musiker, Gaukler, Jongleure und Narren –: Meine Familie.
    Mein Vater war ein besserer Schauspieler und Musiker als Ihr je einen gesehen habt. Und meine Mutter war überaus sprachbegabt. Beide waren sie schöne Menschen, mit dunklem Haar und stets zu einem Lächeln aufgelegt. Sie waren durch und durch Ruh, und das sagt wirklich alles.
    Außer vielleicht, dass meine Mutter eine Edelfrau war, bevor sie zu unserer Truppe kam. Sie hat mir erzählt, mein Vater habe sie aus einer ›entsetzlich langweiligen Hölle‹ voll süßlicher Musik und noch süßlicherer Worte fortgelockt. Ich kann nur annehmen, dass sie den Ort Dreyscheid damit meinte, wo wir einmal Verwandte besuchten, als ich noch ganz klein war. Aber auch nur einmal.
    Meine Eltern waren nie richtig verheiratet, womit ich sagen will,dass sie sich nie die Mühe machten, sich ihr Verhältnis von irgendeiner Kirche verbriefen zu lassen. Ich schäme mich dessen nicht. Sie empfanden sich als Ehepaar und sahen keinen Sinn darin, das irgendeinem Staat oder Gott gegenüber zu bekunden. Ich habe Achtung davor. Und wirklich erschienen sie mir zufriedener und treuer als viele der Form nach verheiratete Paare, denen ich seither begegnet bin.
    Unser Schirmherr war Baron Greyfallow, und sein Name öffnete viele Türen, die den Edema Ruh sonst verschlossen geblieben wären. Dafür trugen wir seine Farben, grün und grau, und mehrten, wohin wir kamen, sein Ansehen. Zwei Spannen alljährlich weilten wir auf seinem Gut und unterhielten ihn und seinen Hof.
    Es war eine glückliche Kindheit, inmitten einer nimmer endenden Kirmes aufzuwachsen. Auf den langen Fahrten von Ort zu Ort trug mir mein Vater aus den großen Monologen vor. Er rezitierte meist aus dem Gedächtnis, und seine Stimme donnerte eine Viertelmeile weit die Straße hinab. Ich las mit und sprach die Nebenrollen. Bei besonders schönen Stellen ermunterte mich mein Vater, mich selbst daran zu versuchen, und so lernte ich die Schönheit der Sprache lieben.
    Meine Mutter und ich ersannen gemeinsam Lieder. Dann wieder spielten meine Eltern romantische Dialoge nach, und ich folgte dem Text in einem Buch. Alles erschien mir damals wie ein Spiel. Ich bemerkte kaum, wie geschickt ich unterrichtet wurde.
    Ich war ein neugieriges Kind, immer schnell mit Fragen bei der Hand und ausgesprochen lernbegierig. Und da Akrobaten und Schauspieler meine Lehrer waren, ist es nicht verwunderlich, dass mir, im Gegensatz zu den meisten anderen Kindern, vor dem Lernen nie graute.
    Die Straßen waren damals sicherer, aber dennoch schlossen sich Leute sicherheitshalber unserer Truppe an. Und auch sie trugen zu meiner Erziehung und Bildung bei. Von einem reisenden Anwalt lernte ich alles Mögliche über das Recht des Commonwealth. Er war entweder zu betrunken oder zu aufgeblasen, um zu bemerken, dass er da einem Achtjährigen Vorträge hielt. Und ein Jäger namens Laclith, der fast eine ganze Saison lang mit uns reiste, brachte mir die Holzschnitzerei bei.
    So manches über die moralische Verkommenheit am königlichen Hofe zu Modeg erfuhr ich von … einer Kurtisane. Wie mein Vater zu sagen pflegte: ›Nenne das Kind beim Namen, Huren aber nenne Damen. Sie haben es schwer genug im Leben, und Höflichkeit kann nie schaden.‹
    Hetera duftete immer ein wenig nach Zimt, und mit neun Jahren faszinierte sie mich, ohne dass ich genau hätte sagen können, warum. Sie lehrte mich, im Privaten nichts zu tun, von dem ich nicht wollte, dass in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wurde, und warnte mich davor, im Schlaf zu sprechen.
    Und dann war da Abenthy, mein erster richtiger Lehrer. Er brachte mir mehr bei als all die anderen zusammen. Ohne ihn wäre ich niemals der geworden, der ich heute bin.
    Ich bitte Euch: Nehmt es ihm nicht übel. Er meinte es nur gut.

    »Ihr müsst weiterziehen«, sagte der Bürgermeister. »Schlagt euer Lager außerhalb der Stadt auf, dann wird man euch in Ruhe lassen, solange ihr keinen Streit anfangt und nichts mitnehmt, was euch nicht gehört.« Er sah meinen Vater vielsagend an. »Und morgen zieht ihr dann weiter eurer Wege. Keine Auftritte. Das bringt nur Scherereien.«
    »Wir haben aber eine Genehmigung«, sagte mein Vater und zog ein zusammengefaltetes Pergament aus der Innentasche seiner Jacke. »Wir haben den Auftrag, hier

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