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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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desjenigen, in den du dich verlieben wirst.«
    Ich sah mir an, was noch von meinem Apfel übrig war – es war zu wenig für dieses Spiel. Ich biss den Rest des Kerngehäuses ab und warf den Stiel fort. »Sieht so aus, als müsste ich ohne Liebe durchs Leben gehen.«
    »Ich dachte nämlich immer, die Kerne wären schädlich«, sagte Denna. »Da soll doch Arsen drin sein.«
    »Das ist ein Ammenmärchen«, erwiderte ich. Es war eine der Abertausenden von Fragen gewesen, die ich Ben gestellt hatte, als er mit unserer Truppe gereist war. »Es ist kein Arsen. Es ist Zyanid. Und damit es einem schadet, müsste man schon kübelweise Kerne essen.«
    »Aha.« Denna betrachtete ihren Apfelrest mit einem abwägenden Blick und begann ihn dann von unten nach oben zu verspeisen.
    »Als ich dich unterbrach, wolltest du mir gerade erzählen, was mit Lord Esche geschehen ist«, lenkte ich sie auf das eigentliche Thema zurück.
    Denna zuckte die Achseln. »Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Ich sah das Feuer, ging näher heran und hörte Schreie und einen Tumult …«
    »Und das Feuer?«
    Sie zögerte. »Es war blau.«
    Eine düstere Ahnung stieg in mir auf. Ich war aufgeregt, weil ich den Chandrian endlich nahe gekommen war, und gleichzeitig jagte mir der Gedanke, dass ich ihnen nahe war, Angst ein. »Wie sahen sie denn aus, die dich angegriffen haben? Und wie bist du entkommen?«
    Denna lachte bitter. »Keiner hat mich angegriffen. Ich sah vor dem Feuer dunkle Gestalten und bin weggerannt, so schnell ichkonnte.« Sie hob ihren bandagierten Arm und zeigte auf ihre Schläfe. »Dabei muss ich mit dem Kopf an einen Baum geprallt sein. Ich war bewusstlos. Erst heute Morgen in der Stadt bin ich wieder zu mir gekommen.
    Und das ist der zweite Grund, warum ich noch einmal herkommen musste«, fügte sie hinzu. »Ich weiß nicht, ob Lord Esche noch irgendwo hier draußen ist. In der Stadt war nichts davon zu hören, dass noch jemand gefunden worden wäre, aber ich konnte auch nicht gezielt danach fragen. Das hätte die Leute nur misstrauisch gemacht …«
    »Und ihm hätte das gar nicht gefallen«, sagte ich.
    Denna nickte. »Ich habe keinen Zweifel daran, dass er auch aus dieser Sache eine Prüfung machen wird, die zeigen soll, ob ich den Mund halten kann.« Sie warf mir einen bedeutsamen Blick zu. »Apropos …«
    »Ich werde vollkommen überrascht sein, wenn wir jemanden finden«, sagte ich. »Sei unbesorgt.«
    Sie lächelte nervös. »Danke. Ich hoffe bloß, er ist noch am Leben.« Sie trank noch einen Schluck aus meiner Wasserflasche und gab sie mir dann zurück. »Komm, wir sehen, ob wir etwas finden.«
    Denna erhob sich. Sie wirkte noch nicht ganz sicher auf den Beinen. Während ich die Wasserflasche in meinen Reisesack steckte, beobachtete ich sie aus dem Augenwinkel. Ich studierte nun schon fast ein Jahr lang an der Mediho. Denna hatte einen Schlag auf die linke Schläfe abbekommen, der so heftig gewesen war, dass ein blaues Auge und ein Bluterguss bis hinter den Haaransatz zurückgeblieben waren. Ihr rechter Arm war bandagiert, und aus der Art, wie sie sich bewegte, schloss ich, dass sie auch an der linken Seite Prellungen davongetragen hatte, wenn nicht gar ein paar Rippen gebrochen waren.
    Wenn sie tatsächlich gegen einen Baum gelaufen war, musste das ein seltsamer Baum gewesen sein.
    Trotzdem sprach ich es nicht an.
    Wie sollte ich? Ich wusste ja schließlich selbst, wie es ist, wenn man Geheimnisse hat.

    Die Farm bot längst keinen so schaurigen Anblick, wie man hätte meinen können. Die Scheune lag in Schutt und Asche. Ein Wasserbottich stand vor einer verkohlten Windmühle. Der Wind versuchte das Windrad zu drehen, aber es hatte nur noch drei Flügel, und diese bewegten sich nur noch mühsam hin und her.
    Es waren keine Leichen zu sehen, nur die Reifenfurchen von den Wagen, die die Toten fortgebracht hatten.
    »Wie viele Leute waren denn auf der Hochzeit?«, fragte ich.
    »Sechsundzwanzig, Braut und Bräutigam mitgezählt.« Denna trat nach einem verkohlten Stück Holz, das neben der Scheunenruine aus der Asche ragte. »Es ist gut, dass es hier abends meistens regnet. Sonst stünde jetzt der ganze Berghang in Flammen …«
    »Gab es da irgendwelche alten Familienfehden?«, fragte ich. »Rivalitäten? Einen zweiten Freier vielleicht, der sich rächen wollte?«
    »Na klar gab es das«, sagte Denna leichthin. »In so einer Kleinstadt gehört das doch gewissermaßen mit dazu. Da merken sie sich ein halbes Jahrhundert

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