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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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du sicher, dass es nicht eher Lord Ulme heißen müsste?«, fragte sie und betrachtete das Blatt. »Die beiden werden gern verwechselt.«
    »Es schmeckt nach Esche«, erwiderte ich.
    Sie nickte ernst. »Dann also Esche.«
    Als wir den Wald und den Hügelkamm hinter uns ließen, wehte uns eine Böe noch mehr Staub ins Gesicht. Denna ging einen Schritt von mir fort, murmelte etwas und rieb sich die Augen. Die Stelle an meinem Arm, wo ihre Hand gelegen hatte, fühlte sich plötzlich ganz kalt an.
    »So ein Pech«, sagte sie und wischte sich übers Gesicht. »Ich habe Spelzen in die Augen bekommen.«
    »Das sind keine Spelzen«, sagte ich mit einem Blick über die Hügelkuppe. Keine zwanzig Meter vor uns standen einige verkohlte Ruinen, die früher einmal die Mauthen-Farm gewesen sein mussten. »Das ist Asche.«

    Ich führte Denna zu einer Baumgruppe, die uns vor dem Wind schützte und von der aus man die Farm nicht sehen konnte. Ich gab ihr meine Wasserflasche. Dann setzten wir uns auf einen umgestürzten Baumstamm, um uns ein wenig auszuruhen, und sie wusch sich mit dem Wasser die Augen aus.
    »Du musst da nicht hingehen«, sagte ich. »Ich könnte nach deinen Sachen suchen, wenn du mir sagst, wo du sie gelassen hast.«
    Sie kniff ein wenig die Augen zusammen. »Also wirklich – ist das jetzt rücksichtsvoll oder herablassend?«
    »Ich habe keine Ahnung, was du gestern Abend mitbekommen hast. Und daher weiß ich auch nicht, wie viel Rücksichtnahme du brauchst.«
    »Mich muss man nicht mit Samthandschuhen anfassen«, erwiderte sie kurz angebunden. »Ich bin kein zartes Pflänzchen.« Sie sah mich streng an, legte dann den Kopf in den Nacken und goss sich noch etwas Wasser über das Gesicht.
    »Ich habe nicht viel mitbekommen«, sagte sie und tupfte sich mit dem Ärmel trocken. »Ich bin vor der Trauung aufgetreten, und dann noch einmal kurz vor dem Essen. Ich hatte erwartet, dass …« Sie lächelte matt »… Lord Esche dort auftauchen würde, aber ich wusste, dass ich nicht nach ihm fragen durfte. Das Ganze war wohl wieder mal eine seiner Prüfungen.«
    Sie runzelte die Stirn. »Er hat eine bestimmte Methode, mir ein Zeichen zu geben. Etwas, woran ich erkenne, dass er ganz in der Nähe ist. Ich habe mich entschuldigt und ihn dann drüben bei der Scheune getroffen. Wir gingen in den Wald, und er stellte mir alle möglichen Fragen. Wer da sei, wie viele Leute, wie sie aussähen.« Sie sah mich nachdenklich an. »Wenn ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, dass das die eigentliche Prüfung war. Er wollte sehen, wie aufmerksam ich bin.«
    »Das klingt ja beinahe so, als wäre er ein Spion«, sagte ich.
    Denna zuckte die Achseln. »Wir gingen etwa eine halbe Stunde lang umher und unterhielten uns. Dann hörte er irgendetwas und sagte mir, ich sollte auf ihn warten. Er ging in die Richtung des Farmhauses fort, aber er kam nicht wieder.«
    »Wie lange hast du gewartet?«
    »Vielleicht zehn Minuten«, sagte sie. »So genau weiß man das schließlich nicht, wenn man auf jemanden wartet. Es war dunkel, und mir war kalt, und ich hatte Hunger.« Sie verschränkte die Arme vor dem Bauch und beugte sich ein wenig vor. »Wie übrigens jetzt wieder. Hätte ich doch bloß …«
    Ich zog einen Apfel aus meinem Reisesack und gab ihn ihr. Die Äpfel waren herrlich – knallrot, süß und knackig. Äpfel, von denen man das ganze Jahr lang träumt und die man nur im Herbst für wenige Spannen genießen kann.
    Denna sah mich neugierig an. »Ich war früher viel auf Reisen«, erklärte ich und nahm mir selbst auch einen Apfel. »Und ich hatte immer Hunger. Deshalb habe ich auch noch heute immer etwas zu essen dabei. Ich koche dir was Richtiges, wenn wir unser Nachtlager aufschlagen.«
    »Kochen kann er also auch …« Sie biss in den Apfel und trank einen Schluck Wasser. »Jedenfalls: Ich dachte, ich hätte Schreie gehört, und deshalb ging ich zurück in Richtung Farm. Und als ich hinter einem Felsen vorkam, hörte ich auch tatsächlich Schreie und Rufe. Als ich noch näher kam, roch ich den Rauch. Dann sah ich zwischen den Bäumen das Feuer.«
    »Welche Farbe hatte es?«, fragte ich, mit einem Stück Apfel im Mund.
    Denna sah mich an, blickte nun mit einem Mal argwöhnisch. »Warum fragst du?«
    »Entschuldige, dass ich dich unterbrochen habe«, sagte ich und schluckte den Bissen hinunter. »Erzähl bitte zu Ende, dann erkläre ich es dir.«
    »Ich habe schon sehr viel erzählt«, erwiderte sie. »Und du hast noch mit keinem

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