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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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hatte. Ich erinnerte mich daran, dass ich mich an einem Wagenrad abgestützt hatte und mir der dicke Eisenreifen buchstäblich unter den Händen weggerostet war.
    »Kvothe?« Dennas Gesicht war meinem ganz nah, und sie blickte besorgt. »Alles in Ordnung mit dir? Setz dich hin, sonst kippst du noch um. Hast du dich verletzt?«
    Ich setzte mich auf den Rand des Wasserbottichs, doch die dicken Bretter brachen unter mir weg, als wären sie vollkommen morsch. Ich plumpste ins Gras.
    Ich hielt Denna den durchgerosteten Pumpenschwengel hin, und sie runzelte die Stirn. »Die Pumpe war neu. Der Brautvater hat damitgeprahlt, was es ihn gekostet habe, hier oben auf dem Hügel einen Brunnen bauen zu lassen. Er sagte, seine Tochter müsste so nicht dreimal am Tag eimerweise Wasser hier herauf schleppen.«
    »Was glaubst du, was hier geschehen ist?«, fragte ich. »Im Ernst.«
    Sie sah sich um, und der Bluterguss an ihrer Schläfe bildete einen scharfen Kontrast zu ihrem blassen Teint. »Ich glaube, wenn ich nach meinem Schirmherrn in spe gesucht habe, werde ich mir diese Asche hier von den Händen waschen und nie mehr hierher zurückkehren.«
    »Das ist keine Antwort«, sagte ich. »Was glaubst du, was hier geschehen ist?«
    Sie sah mich eine ganze Weile an, bevor sie antwortete. »Etwas Schlimmes. Ich habe noch nie einen Dämon gesehen. Und ich rechne auch nicht damit, dass ich je einen sehen werde. Aber den König von Vint habe ich ja schließlich auch noch nie gesehen …«
    »Kennst du das Kinderlied?« Denna sah mich verständnislos an, also begann ich es zu singen:
    Nimmt das Feuer Blauton an,
    Oh, was dann? Oh, was dann?
    Aus dem Haus. Schnell hinaus.
    Wird dein blankes Schwert rostbraun,
    Oh, wem trau’n? Oh, wem trau’n?
    Steh allein. Steh’nder Stein.
    Als Denna begriff, was ich damit sagen wollte, wurde sie noch blasser. Sie nickte und sang den Refrain leise mit:
    Bleich die Frauen, seht ihr sie?
    Lautlos komm’n und gehen die.
    Was treibt, was treibt sie wohl an?
    Chandrian. Chandrian.

    Denna und ich saßen im herbstlichen Laubschatten, außerhalb der Sicht auf die niedergebrannte Farm. Chandrian. Die Chandrian waren tatsächlich hier gewesen . Ich ordnete immer noch meine Gedanken, als Denna das Wort ergriff.
    »Ist es das, was du erwartet hattest, hier zu finden?«, fragte sie.
    »Es ist das, wonach ich gesucht habe«, erwiderte ich. Die Chandrian waren vor nicht einmal einem Tag hier . »Aber ich hatte nicht erwartet, es zu finden. Ich meine, wenn man als Kind nach vergrabenen Schätzen gesucht hat, hat man ja auch nicht erwartet, etwas zu finden. Als Kind hat man im Wald nach irgendwelchen Märchengestalten gesucht, aber man hat sie nicht gefunden.« Sie haben meine Truppe ermordet, und jetzt haben sie diese Hochzeitsgesellschaft ermordet . »Als ich das letzte Mal in Imre nach dir gesucht habe, habe ich auch nicht erwartet, dich zu finden …« Ich verstummte, da ich merkte, dass ich ins Schwafeln geriet.
    Denna lachte, und ihre Anspannung löste sich etwas. Ihr Lachen klang nicht spöttisch, nur belustigt. »Dann bin ich also ein verborgener Schatz oder eine Märchengestalt?«
    »Du bist beides. Verborgen und wertvoll, oft gesucht und schwer zu finden.« Ich hob den Blick und sah sie an und bemerkte kaum, was ich da sagte. »Und du hast auch viel von einer Märchengestalt an dir.« Es gibt sie tatsächlich. Es gibt die Chandrian tatsächlich . »Du bist nie da, wo ich nach dir suche. Und dann tauchst du ganz unerwartet auf. Wie ein Regenbogen.«
    Im Laufe des vergangenen Jahres hatte mich insgeheim eine Angst nicht losgelassen. Ich hatte die Sorge, dass meine Erinnerungen an den Tod meiner Truppe und die Chandrian nur ein seltsamer Trauertraum gewesen waren, den mein Geist zusammengesponnen hatte, um mir über den Verlust meiner ganzen Welt hinwegzuhelfen. Doch nun hatte ich so etwas wie einen Beweis. Es gab sie tatsächlich. Meine Erinnerungen trogen nicht. Ich war nicht verrückt.
    »Als kleiner Junge bin ich einmal eine Stunde lang einem Regenbogen nachgelaufen und habe mich dabei im Wald verirrt. Meine Eltern machten sich schreckliche Sorgen. Ich dachte wirklich, ich könnte ihn einholen. Ich konnte die Stelle sehen, wo er den Boden berühren musste. So bist auch du …«
    Denna berührte meinen Arm. Ich spürte ihre Wärme durch mein Hemd. Ich sog den Duft ihres sonnenwarmen Haars auf. Es duftete nach grünem Gras und nach ihrem sauberen Schweiß und nach Äpfeln. Der Wind seufzte in den Bäumen

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