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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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ihr ins Gesicht. »Vielleicht später. Nach dem Abendessen.« Sie führte mich hinter einen dunklen Felshang. Dort im Schatten war es kälter. »Ich glaube, hier war es. Hier hat er mich stehen lassen«, sagte sie und sah sich unsicher um. »Tagsüber sieht alles ganz anders aus.«
    »Sollen wir den Weg zurück zur Farm absuchen oder von hier aus im Kreis gehen?«
    »Im Kreis. Aber du musst mir zeigen, worauf ich achten soll. Ich bin ein Mädchen aus der Stadt.«
    Ich erklärte ihr, auf welchem Boden ein Schuh einen Abdruck hinterließ, machte sie darauf aufmerksam, dass man dem Laubhaufen, durch den sie eben geschlurft war, das ansah, und zeigte ihr, wo die Zweige des Gestrüpps, durch das sie sich hindurchgekämpft hatte, abgebrochen waren.
    Wir blieben nah beieinander, denn vier Augen sehen mehr als zwei, und keiner von uns wollte alleine suchen. Wir streiften in immer größeren Kreisen rund um den Felshang durch den Wald.
    Nach fünf Minuten wurde mir klar, dass es vollkommen sinnlos war. Denna kam zu dem gleichen Schluss, das merkte ich. Die aus den Märchenbüchern bekannten Anhaltspunkte wollten wieder mal einfach nicht auftauchen. Wir fanden keine in den Zweigen hängenden Kleiderfetzen, keine tiefen Schuhabdrücke, keine verlassenen Lagerplätze. Wir stießen nur auf Pilze, Eicheln, Mücken und unter Kiefernadeln verborgenen Waschbärenkot.
    »Hörst du auch das Wassergeplätscher?«, fragte Denna.
    Ich nickte. »Ich würde wirklich gerne was trinken«, sagte ich. »Und eine kleine Katzenwäsche wäre auch nicht schlecht.«
    Wortlos gaben wir unsere Suche auf. Wir folgten dem Geräusch des Wassers den Hügel hinab und kamen schließlich hinter einem Kiefernwäldchen an einen schönen, Bach, der etwa sechs, sieben Meter breit war.
    Das Wasser roch sauber, und so tranken wir davon, und ich füllte meine Wasserflasche.
    Ich kannte mich mit Geschichten aus. Wenn ein junges Pärchen an einen Bach kommt, dann steht schon ganz genau fest, was als Nächstes geschieht. Denna würde an einem sandigen Uferabschnitt hinter dem nächsten dichten Nadelbaum baden. Ich würde diskret Abstand halten, außer Sicht, aber in Rufweite. Dann … würde irgendetwas passieren. Sie würde ausrutschen und sich den Fußknöchel verdrehen oder sich an einem scharfen Stein den Fuß verletzen, und ich würde hinübereilen müssen. Und dann …
    Doch dies war keine Geschichte über ein junges Liebespaar, das an einem Bach zueinander findet. Also klatschte ich mir etwas Wasser ins Gesicht und wechselte hinter einem Baum das Hemd. Denna tauchte ihren Kopf ins Wasser, um sich abzukühlen.
    Anschließend setzten wir uns auf einen Stein und ließen die Füße ins Wasser baumeln. Wir teilten uns einen Apfel, bissen abwechselnd davon ab, was, wenn man nie geküsst hat, dem Küssen schon recht nahe kommt.
    Und nachdem ich sie noch einmal darum gebeten hatte, sang Denna für mich. Eine Strophe aus Wir waschen uns im Fluss , einem Lied, das ich nie zuvor gehört hatte, improvisierte sie, glaube ich, an Ort und Stelle. Ich werde diese Strophe hier nicht wiederholen, denn sie sang sie für mich und nicht für euch. Und da dies keine Geschichte über ein Liebespaar ist, das an einem Bach zueinander findet, gehört sie eigentlich auch nicht hierher, und ich werde sie für mich behalten.

Kapitel 73
    Schweinchen

    A ls wir den Apfel verspeist hatten, zogen wir die Füße aus dem Bach und rüsteten uns zum Aufbruch. Ich überlegte, ob ich meine Stiefel besser nicht wieder anziehen sollte. Nachdem ich barfuß über die Dächer von Tarbean gelaufen war, konnte mir auch der unwegsamste Waldboden eigentlich nichts mehr anhaben, aber andererseits wollte ich auch nicht unzivilisiert erscheinen, und so zog ich auch meine Strümpfe wieder an, die vollkommen durchgeschwitzt waren.
    Ich schnürte mir eben die Stiefel, als ich im Wald, hinter einigen Tannen, ein leises Geräusch hörte.
    Ich berührte Denna sachte an der Schulter, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, und hielt mir einen Zeigefinger vor den Mund.
    Was ist ?, fragte sie mit lautlosen Lippen.
    Vorsichtig näherte ich mich ihr und gab mir dabei große Mühe, keine Geräusche zu machen. »Ich glaube, ich habe etwas gehört«, sagte ich, den Kopf ganz nah an ihrem. »Ich gehe mal hin und schau, was da ist.«
    »Den Teufel wirst du tun«, flüsterte sie, ihr Gesicht blass im Waldesschatten. »Genau das hat Esche auch gesagt, als er mich gestern Abend stehen ließ. Ich lasse nicht zu, dass du auch noch

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