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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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runterkriegst.«
    Sie nickte ernst, die Augen weit aufgerissen. Sie kaute, würgte ein bisschen und spülte dann auch den nächsten Mund voll Kohle mit einem Schluck Wasser hinunter. Das wiederholte sie noch zehn Mal in schneller Folge und spülte sich dann zum Schluss den Mund aus.
    »Was ist Ophalum?«, fragte sie leise.
    »Ein Rauschgift. Das hier sind Dennerbäume. Du hast gerade einen ganzen Mund voll Dennerharz gegessen.« Ich setzte mich zu ihr. Mir zitterten die Hände, und ich legte sie flach auf meine Oberschenkel, um es zu verbergen.
    Nun sagte sie erst einmal gar nichts mehr. Dennerharz war allgemein bekannt. In Tarbean wurden täglich die Leichen der Harzsüchtigen abtransportiert, die in einer Gasse oder einem Hauseingang in der Hafengegend an einer Überdosis gestorben waren.
    »Wie viel hast du geschluckt?«, fragte ich.
    »Ich habe es nur gelutscht, wie Karamell.« Sie wurde wieder bleich. »Mir klebt immer noch etwas davon an einem Zahn.«
    Ich gab ihr den Wasserschlauch. »Spül es aus.« Sie spülte sich einige Male mit dem Wasser den Mund aus, und ich versuchte zu schätzen, wie viel sie von dem Rauschgift wohl abbekommen hatte. Aber da gab es zu viele Variablen, über die ich nichts wusste: Wie viel sie geschluckt hatte, wie hochprozentig das Harz war, ob man irgendwelche Verfahren eingesetzt hatte, es zu filtern oder zu reinigen.
    Sie tastete mit der Zunge ihre Zähne ab. »So, jetzt bin ich sauber.«
    Ich lachte gezwungen. »Du bist alles andere als sauber. Dein Mund ist pechschwarz. Du siehst aus wie ein kleines Mädchen, das im Kohlenverschlag gespielt hat.«
    »Guck doch mal dich selber an«, erwiderte sie. »Du siehst aus wie ein Schornsteinfeger.« Sie berührte meine nackte Schulter. Ich musste mir an den Felsen das Hemd aufgerissen haben, als ich losgerannt war, um den Wasserschlauch zu holen. Sie sah mich mit einemmatten Lächeln an, aber ihre Augen waren immer noch verängstigt. »Und wieso habe ich jetzt den Bauch voller Kohle?«
    »Kohle ist wie ein chemischer Schwamm«, erklärte ich. »Sie saugt Giftstoffe auf.«
    Das munterte sie ein wenig auf. »Vollständig?«
    Im ersten Moment wollte ich lügen, tat es dann aber doch nicht. »Größtenteils. Du hast die Kohle schnell geschluckt. Sie wird viel von dem Gift aufsaugen, das du bereits im Magen hattest.«
    »Wie viel?«
    »Etwa sechzig Prozent«, sagte ich. »Hoffentlich mehr. Wie fühlst du dich?«
    »Ich habe Angst«, sagte sie. »Und ich bin ein bisschen zitterig. Aber sonst bemerke ich keine Wirkung.« Sie nahm den klebrigen Harzklumpen, den ich ihr aus der Hand geschlagen hatte, schleuderte ihn fort und wischte sich anschließend ängstlich die Finger an der Hose ab. »Wie lange wird es ungefähr dauern, bis die Wirkung einsetzt?«
    »Ich weiß nicht, wie rein das Harz war«, sagte ich. »Wenn es noch unverarbeitet war, dauert es länger, bis der Körper es aufnimmt. Und das wäre gut, da sich dann die Wirkung über einen längeren Zeitraum verteilt.«
    Ich ertastete den Puls an ihrer Halsschlagader. Er raste, was aber gar nichts zu sagen hatte, denn meiner raste schließlich auch. »Schau mal nach oben.« Ich hob eine Hand und beobachtete dabei ihre Augen. Die Pupillen reagierten mit Verzögerung auf das Licht. Unter dem Vorwand, ein Augenlid anzuheben, legte ich ihr eine Hand auf den Kopf und drückte mit einem Finger auf den Bluterguss an ihrer Schläfe. Sie zuckte dabei mit keiner Wimper, fühlte also offenbar keinen Schmerz.
    »Ich dachte, ich hätte mir das nur eingebildet«, sagte Denna. »Aber deine Augen wechseln tatsächlich die Farbe. Normalerweise sind sie leuchtend grün, mit einem goldenen Ring um die Pupille …«
    »Meine Augen habe ich von meiner Mutter«, sagte ich.
    »Aber ich habe es beobachtet. Als du gestern den Pumpenschwengel abgebrochen hattest, wurden sie trübe – sumpfgrün. Und als der Schweinehirte diese Bemerkung über die Ruh fallen ließ, wurden sie für einen Moment ganz dunkel. Ich dachte, das wäre nur das Licht, aber jetzt sehe ich, dass das nicht stimmt.«
    »Es wundert mich, dass dir das auffällt«, sagte ich. »Der einzige Mensch, der mich bisher darauf angesprochen hat, war ein alter Lehrer von mir. Und der war Arkanist. Dem fielen solche Dinge schon von Berufs wegen auf.«
    »Mir fallen auch privat eine Menge Dinge an dir auf«, erwiderte sie und legte den Kopf ein wenig auf die Seite. »Die Leute lassen sich wahrscheinlich von deinem Haar ablenken. Es ist so leuchtend … Und

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