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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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dein Gesicht ist so ausdrucksvoll. Und du hast es immer unter Kontrolle, sogar wie sich deine Augen bewegen. Aber die Augenfarbe beherrschst du nicht.« Sie lächelte matt. »Jetzt sind sie ganz blass. Frostgrün. Du musst schreckliche Angst haben.«
    »Das ist wohl eher die gute alte sinnliche Begierde«, entgegnete ich in meinem rauhsten Tonfall. »Es kommt nicht oft vor, dass ein schönes Mädchen mich so nah an sich heranlässt.«
    »Du erzählst mir immer die allerschönsten Lügen«, sagte sie und sah auf ihre Hände. »Werde ich jetzt sterben?«
    »Nein«, sagte ich mit Bestimmtheit. »Auf keinen Fall.«
    »Könntest …« Sie sah mich wieder an und lächelte. Sie hatte Tränen in den Augen. »Könntest du das bitte laut aussprechen?«
    »Du wirst nicht sterben«, sagte ich und erhob mich. »Komm, wir schauen mal, ob unser Echsenfreund schon weg ist.«
    Es ging mir darum, sie in Bewegung zu halten und von sich abzulenken, und so tranken wir beide noch einen Schluck Wasser und stiegen dann wieder auf den Ausguck. Der Draccus lag in der Sonne und schlief.
    Ich nutzte die Gelegenheit und stopfte die Wolldecke und das Trockenfleisch in meinen Reisesack. »Es ist eigentlich nicht meine Art, Toten etwas abzunehmen«, sagte ich. »Aber unter diesen Umständen …«
    »Wenigstens wissen wir jetzt, warum er sich hier am Ende der Welt versteckt hat, mit einer Armbrust, einem Ausguck und so weiter«, sagte Denna. »Eines der kleineren Rätsel wäre also gelöst.«
    Ich wollte meinen Reisesack schon wieder zuschnüren, nahm dann aber doch noch auch die Armbrustbolzen mit.
    »Was willst du denn damit?«, fragte sie.
    »Die sind einiges wert«, erwiderte ich. »Und ich stehe bei einer gefährlichen Person in der Kreide. Ich kann jeden Penny gut gebrauchen …« Da kam mir eine Idee.
    Denna sah mich an, und es war klar, dass sie zur gleichen Schlussfolgerung gelangt war. »Weißt du, was für einen Marktwert dieses Harz hätte?«, fragte sie.
    »Nein, nicht so recht«, sagte ich und überlegte: Dreißig Pfannen, jeweils mit einer Harzschicht von der Größe eines Esstellers. »Das ist viel wert. Richtig viel.«
    Denna trat von einem Fuß auf den anderen. »Kvothe, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich kannte Mädchen, die von diesem Zeug abhängig geworden sind. Andererseits brauche ich Geld.« Sie lachte bitter. »Ich besitze im Moment nur die Kleider, die ich hier am Leibe trage. Aber ich weiß nicht, ob ich so dringend Geld brauche.«
    »Ich dachte an Apotheken«, erwiderte ich. »Die stellen daraus Arzneimittel her. Man kann ein sehr wirksames Schmerzmittel daraus gewinnen. Das würde zwar längst nicht so viel Geld bringen, wie wenn man damit zu gewissen anderen Leuten ginge, aber besser der Spatz in der Hand …«
    Denna strahlte. »Ich liebe Spatzen! Erst recht, seit mein mysteriöser Möchtegern-Schirmherr wie vom Erdboden verschluckt ist.«
    Wir gingen zurück in die Schlucht. Als ich nun aus der Felsspalte heraustrat, sah ich die Pfannen in einem anderen Licht. Jetzt entsprach jede von ihnen einer schweren Münze in meiner Tasche. Die Studiengebühren des nächsten Trimesters, neue Kleider, keine Schulden mehr bei Devi …
    Ich sah, dass auch Denna die Pfannen mit einer gewissen Faszination betrachtete, wenn auch mit etwas glasigerem Blick als ich. »Davon könnte ich ein Jahr lang gut leben«, sagte sie. »Und wäre niemandem etwas schuldig.«
    Ich ging zu dem Werkzeugschuppen und holte uns zwei Schaber. Nach wenigen Minuten hatten wir den Inhalt der einzelnen Pfannen zu einem schwarzen, klebrigen Klumpen von der Größe einer Honigmelone zusammengeschabt.
    Denna zitterte ein wenig. Sie sah mich an und lächelte. Ihre Wangen waren gerötet. »Mit einem Mal fühle ich mich richtig gut.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Richtig, richtig gut. Und ich glaube, das ist nicht allein der Gedanke an das viele Geld.«
    »Das ist das Harz«, sagte ich. »Es ist ein gutes Zeichen, dass es so lange gedauert hat, bis die Wirkung einsetzt. Wenn es schneller gegangen wäre, hätte ich mir Sorgen gemacht.« Ich sah sie ernst an. »Du musst mir sofort Bescheid sagen, wenn du irgendwelche Beklemmungen in der Brust spürst oder Schwierigkeiten hast zu atmen. So lange diese Symptome nicht auftreten, ist es nicht weiter schlimm.«
    Denna nickte und atmete einmal tief durch. »O lieber Engel Ordal, geht’s mir gut.« Sie setzte mir gegenüber eine besorgte Miene auf, konnte ihr Grinsen aber einfach nicht

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