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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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in einem Maisfeld.
    Ich sah atemlos zu, wie er zu einer alten Eiche kam, die sicherlich hundert Jahre alt war und so massiv wie ein Graustein. Der Draccus bäumte sich auf und stieß mit den Vorderbeinen auf einen der unteren Äste ein, so als wollte er den Baum erklimmen. Der Ast, der fast so dick war wie der Stamm, brach im Nu.
    Dann bäumte er sich erneut auf und stürzte sich wieder auf den Baum. Ich war mir beinahe sicher, dass er sich an dem spitzen Aststumpf aufspießen würde, doch als dieser mit der Brust des Tieres zusammenstieß, zersprang er in tausend Splitter. Nun stürzte sich der Draccus auf den Stamm der Eiche, der zwar nicht umfiel, aber mit einem lauten Krachen, das klang, als würde ein Blitz herniederfahren, mitten entzwei brach.
    Der Draccus warf sich herum und wälzte sich auf dem von spitzen Steinen übersäten Boden. Er spie einen Flammenstoß und stürzte sich noch einmal auf die schon schwer lädierte Eiche, wobei er diesmal mit dem keilförmigen Kopf zustieß. Nun riss er den Baum um, und Erdboden und Steine wirbelten auf, als das Wurzelwerk des Baums aus der Erde gerissen wurde.
    Ich konnte nur noch daran denken, wie aussichtslos jeder Versuch war, diesem Wesen etwas anhaben zu wollen. Er bot gegen sich selbst mehr Kraft auf, als ich es jemals vermocht hätte.
    »Wir können ihn nicht töten«, sagte ich. »Das käme dem Versuch gleich, einem Gewittersturm Einhalt zu gebieten. Wie sollten wir ihn denn auch nur verletzen?«
    »Wir locken sie da vorne in den Abgrund«, sagte Denna ganz sachlich.
    »Sie? Wieso ist es denn jetzt plötzlich eine Sie ?«
    »Wieso sollte es denn ein Er sein?«, entgegnete Denna und schüttelte den Kopf, wohl um ihn ein wenig klarer zu bekommen. »Aber egal, spielt ja auch keine Rolle. Wir wissen ja, dass er sich mit Feuer anlocken lässt. Also machen wir einfach ein Feuer und hängen es da vorne an einen Ast.« Sie zeigte auf einige Bäume, deren Äste über den Abhang hinausragten. »Und wenn er dann hinrennt, um das Feuer zu löschen …« Sie deutete mit den Händen pantomimisch einen Sturz in die Tiefe an.
    »Und du meinst, dabei würde er sich verletzen?«, fragte ich. Ich hatte da meine Zweifel.
    »Na ja«, sagte Denna. »Wenn man eine Ameise vom Tisch schnippt, verletzt sie sich dabei nicht, obwohl es für sie so sein muss, als würde sie in einen Abgrund stürzen. Wenn wir aber von einem Dach herunterspringen, verletzen wir uns, weil wir schwerer sind. Da kann man doch davon ausgehen, dass noch schwerere Dinge noch härter landen.« Sie sah zu dem Draccus hinüber. »Und schwerer als das da geht ja wohl kaum.«
    Da hatte sie natürlich recht.
    »Verletzen würde er sich dabei auf jeden Fall«, fügte Denna hinzu. »Und dann, tja, ich weiß nicht … Wir könnten Felsblöcke auf ihn hinunterkullern lassen oder so.« Sie sah mich an. »Was ist? Stimmt was nicht mit der Idee?«
    »Das wäre nicht sehr heldenhaft«, wandte ich ein. »Ich hätte lieber etwas Stilvolleres.«
    »Ich habe meine Rüstung und mein Schlachtross aber leider zu Hause gelassen«, entgegnete sie. »Du bist doch bloß beleidigt, weil deinem an der Universität geschulten Verstand nichts dazu einfällt und mein Plan schlichtweg genial ist.« Sie zeigte auf die kleine Schlucht hinter uns. »Wir machen das Feuer in einer dieser Pfannen. Die sind schön breit und flach und können die Hitze aushalten. Waren in dem Schuppen irgendwelche Seile?«
    »Ich …« Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. »Nein, ich glaube nicht.«
    Denna zupfte mich am Ärmel. »Guck nicht so. Wenn er abhaut, schauen wir mal in der Ruine der Blockhütte nach. Da liegt doch bestimmt irgendwo ein Seil herum.« Sie sah zu dem Draccus hinüber. »Ehrlich gesagt, kann ich verstehen, wie es ihr gerade geht. Mir ist auch ein wenig danach, herumzulaufen und mich auf irgendwas zu stürzen.«
    »Das ist die manische Phase, von der ich sprach«, sagte ich.
    Eine Viertelstunde später verließ der Draccus das Tal. Erst da wagten wir uns wieder aus unserem Versteck hervor. Ich trug meinen Reisesack und Denna den schweren Sack mit dem gesamten Harz, das wir gefunden hatten, insgesamt fast einen Scheffel.
    »Gib mal den Lodenstein«, sagte sie und setzte den Sack ab. Ich gab ihn ihr. »Du suchst uns ein Seil. Und ich besorge dir ein Andenken.« Sie sprang mit wehendem Haar von dannen.
    Ich durchsuchte die Ruine der Blockhütte und hielt dabei möglichst den Atem an. Ich fand ein Beil, zerschlagenes Geschirr, ein Faß Mehl, in

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