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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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zuvor hatte ich nichts dringender gewollt, als dass der Draccus schnell an unserem Feuer erschiene. Jetzt aber hätte ich meine rechte Hand dafür gegeben, dass er sich noch fünf Minuten Zeit damit ließe.
    Aber er kam. Ich löste mich vorsichtig von Denna. Sie regte sich kaum in ihrem Tiefschlaf. »Denna?« Ich rüttelte sie erst sacht, dann weniger sacht. Nichts. Es wunderte mich nicht. Es gibt kaum etwas Tieferes als den Schlaf der Dennerharzesser.
    Ich deckte sie wieder zu und legte meinen Reisesack und den Sack mit dem Harz wie zwei Buchstützen links und rechts neben sie. Wenn sie sich im Schlaf umdrehte, würden die beiden Säcke sie aufhalten, bevor sie dem Rand des Grausteins nahe kam.
    Dann ging ich zur anderen Seite des Steins und schaute nach Norden. Der Himmel war immer noch wolkenverhangen, und daher konnte ich außerhalb des Lichtkreises unseres Lagerfeuers nichts erkennen.
    Vorsichtig ertastete ich die Schnur, die ich quer über die Oberseite des Steins gezogen hatte. Das andere Ende hatte ich an den Henkel des Holzeimers gebunden, der zwischen dem Feuer und den Grausteinen stand. Meine größte Sorge war, dass der Draccus den Eimer versehentlich zertrampeln könnte, bevor er dazu kam, ihn zu wittern. Falls diese Gefahr bestand, wollte ich den Eimer fortziehen und später erneut auswerfen. Denna hatte darüber gelacht und es als »Hühnerangeln« bezeichnet.
    Der Draccus war nun auf der Hügelkuppe angelangt und stapfte mit viel Lärm durchs Gestrüpp. Am Rand des Lichtscheins unseres Lagerfeuers blieb er stehen. Seine dunklen Augen glühten rot, und das Rot fing sich auch auf seinen Schuppen. Er schnaufte und fing an, um das Feuer herumzuschleichen, wiegte dabei langsam den Kopf hin und her. Dann spie er einen blauen Flammenstoß, was, wie ich vermutete, als Gruß oder Herausforderung gemeint war.
    Dann stürzte er in Richtung Feuer. Obwohl ich ihn nun schon geraume Zeit beobachtet hatte, war ich immer noch erstaunt, wie schnell sich diese riesenhafte Kreatur bewegen konnte. Kurz vor dem Feuer verharrte er, schnaufte noch einmal und kroch dann auf den Eimer zu. Der war zwar aus robustem Holz und fasste mindestens zwei Gallonen, sah aber neben dem riesigen Kopf des Draccus wie ein Teetässchen aus. Er schnupperte daran und stieß den Eimer dann mit der Schnauze um.
    Der Eimer kullerte im Halbkreis, aber ich hatte das klebrige Harz fest hinein gepresst. Der Draccus trat einen Schritt vor, schnaubte noch einmal und nahm den Eimer ins Maul.
    Ich war so erleichtert, dass ich beinahe vergessen hätte, die Schnur loszulassen. Sie wurde mir aus den Händen gerissen, als der Draccus noch ein wenig auf dem Eimer herumkaute. Dann schlang er die klebrige Masse hinunter.
    Ich atmete erleichtert auf und setzte mich hin. Der Draccus schlich nun wieder um das Feuer herum. Er spie einen blauen Flammenstoß und noch einen zweiten, wälzte sich schließlich in dem Feuer und zermalmte es unter seinem massigen Leib.
    Als er die Feuerstelle planiert hatte, verhielt er sich nach dem gleichen Muster wie beim letzten Mal. Er bewegte sich zu den noch brennenden Holzstücken, die rings umher verstreut lagen, wälzte sich darauf und fraß sie anschließend auf. Ich hatte beinahe bildlich vor Augen, wie jeder Stock und jeder Klotz, den er schluckte, das Dennerharz tiefer in seinen Magen hinein schob, wie sie es aufquirlten, auseinander ziehen und auflösen halfen.
    Eine Viertelstunde verging, und ich sah, wie er die Feuerstelle einmal umrundete. Ich hatte gehofft, dass man ihm die Wirkung des Harzes nun langsam anmerken würde. Nach meiner Schätzung hatte er das Sechsfache einer für ihn tödlichen Dosis geschluckt. Die anfänglichen euphorischen und manischen Phasen hätten eigentlich schnell einsetzen müssen. Anschließend folgten Delirium, Lähmungen, Koma, Tod. Meinen Berechnungen nach müsste alles innerhalb einer Stunde vorbei sein, wenn alles gut lief, auch schneller.
    Ich empfand ein großes Bedauern, als ich mit ansah, wie er die verstreuten kleineren Feuer erstickte. Er war ein prachtvolles Tier. Es tat mir in der Seele weh, dass ich ihn töten musste, sogar mehr noch, als dass dabei Ophalum im Wert von über sechzig Talenten vernichtet wurde. Aber es gab keinen Zweifel, was geschehen würde, wenn man den Ereignissen ihren Lauf ließ. Ich konnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, das Leben unschuldiger Menschen zu gefährden.
    Der Draccus hörte bald auf zu fressen und wälzte sich nun nur noch auf den

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