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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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kühlen Kopf bewahrt und bereits von dem Regenwasserspeicher auf dem Dach des Rathauses eine Eimerkette zu einem brennenden Gebäude in der Nähe gebildet.
    Und da wusste ich mit einem Mal, was ich zu tun hatte. Es war, als würde ich eine Bühne betreten. Das Lampenfieber war wie weggeblasen. Jetzt kam es nur noch darauf an, dass ich meine Rolle spielte.
    Ich sprang auf das Nachbardach und lief von dort weiter über die Dächer, bis ich zu einem Haus in der Nähe des Marktplatzes kam, dessen Dach von den umherfliegenden Trümmern des Erntedankfeuers in Brand gesteckt war. Ich riss eine Schindel heraus, die an einer Kante brannte, und lief damit zum Dach des Rathauses.
    Ich war nur noch zwei Dächer entfernt, als ich ausrutschte. Zu spät bemerkte ich, dass ich auf das Dach des Wirtshauses gesprungen war, das nicht mit Holzschindeln, sondern mit Lehmziegeln gedeckt war, die vom Regen noch rutschig waren. Ich fiel und rutschte fast bis zur Dachkante, ehe ich wieder Halt fand. Das Herz pochte mir bis zum Hals. Die brennende Schindel hielt ich immer noch in der Hand.
    Atemlos riss ich mir die Stiefel von den Füßen. Nun, mit dem vertrauten Gefühl der Dächer unter den schwieligen Fußsohlen, lief ich, sprang, lief, schlitterte und sprang noch einmal. Schließlich packte ich ein Regenrohr und schwang mich auf das flache Steindach des Rathauses.
    Immer noch die Schindel in der Hand, lief ich die Leiter an dem Wasserspeicher hinauf und dankte dem Himmel, dass er keine Abdeckung hatte.
    Während ich über die Dächer gelaufen war, waren die Flammen auf der Schindel erloschen und hatten an der Kante nur einen schmalen Streifen Glut hinterlassen. Ich blies vorsichtig darauf, und bald brannte sie wieder lichterloh. Dann brach ich sie in der Mitte entzwei und ließ eine Hälfte auf das Flachdach fallen.
    Ich ließ den Blick über die Stadt schweifen und prägte mir ein, wo die größten Feuer brannten. Es waren sechs besonders schwere Brände, die in den dunklen Himmel emporloderten. Elxa Dal hatte immer gesagt, alle Feuer seien letztlich ein Feuer, und alle Feuer gehorchten dem Willen des Sympathetikers. Also gut. Alle Feuer waren ein Feuer. Dieses Feuer. Dieses brennende Schindelstück. Ich murmelte eine Bindungsformel und besann mich auf mein Alar. Dann kratzte ich mit dem Daumennagel die Rune ule ins Holz und noch die Runen dok und pesin. Währenddessen begann das ganze Schindelstück zu schwelen und zu qualmen und wurde jetzt fast zu heiß, um es noch festzuhalten.
    Ich hakte einen Fuß an einer Leitersprosse ein, beugte mich über den Rand des Wasserspeichers, steckte die Schindel tief ins Wasser und löschte sie so. Einen Moment lang spürte ich das kühle Wasserum meine Hand, doch dann wurde es schnell wärmer. Obwohl die Schindel nun unter Wasser war, sah ich an der Kante den Glutstreifen rot vor sich hin glimmen.
    Ich zückte mit der anderen Hand mein Taschenmesser und steckte mit der Klinge das improvisierte Sygaldriestück unter Wasser an der Holzwand des Wasserspeichers fest. Es war zweifellos die am schnellsten hingeschluderte hitzeschluckende Bindung aller Zeiten.
    Ich schwang mich zurück auf die Leiter und sah dabei über die Stadt, die in friedlichem Dunkel lag. Die Flammen waren zurückgegangen und an den meisten Stellen bis auf die Glut erloschen. Ich hatte die Brände zwar nicht gelöscht, sie aber so weit gebändigt, dass die Leute mit ihren Eimern eine Chance hatten.
    Doch meine Arbeit war erst zur Hälfte getan. Ich sprang auf das Dach und schnappte mir das immer noch brennende zweite Schindelstück, das ich hatte fallen lassen. Dann rutschte ich ein Regenrohr hinunter und rannte durch die dunklen Straßen und über den Marktplatz zur Tehlanerkirche.
    Unter der riesigen alten Eiche vor dem Kirchenportal, die immer noch ihr Herbstlaub trug, hielt ich an und kniete mich hin, schnürte meinen Reisesack auf und zog den Sack mit dem verbliebenen Harz heraus. Ich goss die Flasche Schnaps darüber aus und setzte alles mit der Holzschindel in Brand. Das Harz fing schnell Feuer und gab einen beißenden, süßlichen Qualm von sich.
    Dann nahm ich das nicht brennende Ende der Schindel zwischen die Zähne, schwang mich auf einen der unteren Eichenäste und begann den Baum zu erklimmen. Es war einfacher, als an der Kirchenfassade hinaufzuklettern, und ich kam so schnell auf eine Höhe, von der aus ich auf einen breiten Sims am oberen Portal der Kirche springen konnte. Ich knickte einen kleinen Eichenzweig ab und

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