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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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gelehnt. Ich krempelte mir die Ärmel auf und sagte ein wenig wichtigtuerisch: »So, ich muss dich jetzt untersuchen.«
    Sie lächelte mich mit halb geschlossenen Augen an. »Du weißt wirklich, wie man ein Mädchen mit süßen Worten umgarnt, was?«  
    Ich legte meine Hand an ihre grazile Halsbeuge und ertastete ihren Puls. Er ging langsam, aber regelmäßig. Sie scheute ein wenig zurück, als ich sie berührte. »Das kitzelt.«
    »Wie fühlst du dich?«, fragte ich.
    »Müde«, sagte sie, etwas unartikuliert. »Müde, aber gut. Mir ist bloß ein bisschen kalt.«
    Das war zu erwarten gewesen, aber dennoch erstaunlich, wenn man bedachte, dass wir an einem lodernden Feuer saßen. Ich holte die Wolldecke, und sie kuschelte sich hinein.
    Dann beugte ich mich über sie und sah ihr in die Augen. Ihre Pupillen waren immer noch geweitet und träge, aber es war nicht schlimmer als zuvor.
    Sie legte mir eine Hand an die Wange. »Du hast ein wunderschönes Gesicht«, sagte sie und sah mich dabei verträumt an. »Es ist wie eine perfekt eingerichtete Küche.«
    Ich zwang mich, nicht zu lachen. Das war das Delirium. Es würde stärker und schwächer werden, bis die völlige Erschöpfung schließlich zur Bewusstlosigkeit führte. Sah man zum Beispiel in einer Gasse in Tarbean jemanden, der irgendwelchen Unsinn vor sich hin brabbelte, hatte man es wahrscheinlich nicht mit einem Verrückten, sondern nur mit einem Dennersüchtigen zu tun, dem der übermäßige Harzgenuss vorübergehend den Verstand geraubt hatte. »Eine Küche?«
    »Ja«, sagte sie. »Alles passt perfekt zusammen, und die Zuckerdose steht genau da, wo sie stehen soll.«
    »Wie fühlt es sich an, wenn du Luft holst?«, fragte ich.
    »Normal«, sagte sie. »Nur ein wenig beengt.«
    Als ich das hörte, fing mein Herz an schneller zu schlagen. »Wie meinst du das?«
    »Ich habe Schwierigkeiten beim Atmen«, sagte sie. »Manchmal habe ich so ein beengtes Gefühl in der Brust, und dann ist es, als würde ich durch Pudding atmen.« Sie lachte. »Habe ich gerade Pudding gesagt? Ich meinte Melasse. Melassepudding.«
    Ich verkniff es mir, sie daran zu erinnern, dass ich sie ausdrücklich aufgefordert hatte, mir Bescheid zu sagen, falls sie Atemschwierigkeiten bekommen würde. »Fällt es dir jetzt schwer zu atmen?«
    Sie zuckte gleichgültig die Achseln.
    »Ich muss deinen Atem abhören«, sagte ich. »Und weil ich keine Instrumente dabei habe, muss ich dich bitten, deine Bluse ein wenig aufzuknöpfen, damit ich ein Ohr auf deine Brust legen kann.«
    Denna verdrehte die Augen und knöpfte ihre Bluse weiter auf, als eigentlich nötig gewesen wäre. »Na, das ist doch mal was Neues«, sagte sie neckisch und klang für einen Moment wieder ganz normal. »Das hat noch keiner bei mir probiert.«
    Ich legte ein Ohr an ihr Brustbein.
    »Wie hört sich mein Herz an?«, fragte sie.
    »Es schlägt langsam, aber kräftig«, sagte ich. »Es ist ein gutes Herz.«
    »Sagt es irgendwas?«
    »Nicht dass ich es hören könnte.«
    »Dann hör genauer hin.«
    »Jetzt bitte ein paar Mal tief ein- und ausatmen und nicht dabei reden«, sagte ich. »Ich muss deinen Atem abhören.«
    Ich lauschte. Sie atmete ein, und ich spürte ihre Brust an meinem Arm. Als sie wieder ausatmete, hatte ich ihren warmen Atem im Nacken. Ich bekam von Kopf bis Fuß eine Gänsehaut.
    Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie missbilligend Arwyl jetzt geblickt hätte. Ich schloss die Augen und versuchte mich daraufzu konzentrieren, was ich tat. Sie atmete ein und aus, und es war, als lauschte man dem Wind in den Bäumen. Ein und aus, und ich hörte ein leises Knistern, wie von Papier. Aber es klang nicht nach Feuchtigkeit, und es blubberte nichts.
    »Dein Haar riecht gut«, sagte sie.
    Ich setzte mich auf. »Alles in Ordnung«, sagte ich. »Aber sag mir bitte Bescheid, wenn du irgendeine Veränderung spürst.«
    Sie nickte freundlich und lächelte dabei immer noch verträumt.
    Auf einmal war ich gereizt darüber, dass sich der Draccus mit seinem Auftritt so viel Zeit ließ, und warf noch mehr Holz ins Feuer. Ich schaute nach Norden, doch in dem schummrigen Licht war dort außer der Silhouette der Wälder und Felshänge nichts zu erkennen.
    Plötzlich lachte Denna laut auf. »Habe ich dein Gesicht gerade als Zuckerdose bezeichnet?«, fragte sie und starrte mich an. »Mache ich wenigstens jetzt im Moment einen halbwegs vernünftigen Eindruck?«
    »Das ist weiter nichts als ein kleines Delirium«, beruhigte ich sie. »Das

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