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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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verdrießlichen Blick zu dem Durchgang um, in dem gerade die junge Frau auftauchte. »Nell, warum zum Teufel lässt du ihn aufstehen? Du bist doch wirklich dumm wie Bohnenstroh.«
    Dann hieß sie also tatsächlich Nell. Unter anderen Umständen hätte ich das amüsant gefunden.
    Er wandte sich wieder an mich, mit einem Lächeln, das im Grunde nur eine Variante seiner säuerlichen Miene war. »Mein Gott, Junge. Muss dein Gesicht aber wehtun. Das ist ja ein Anblick zum Steinerweichen.« Er gluckste.
    Ich funkelte ihn an. »Ich habe nach meiner Kusine gefragt.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht wiedergekommen. Und ich nehme ihr das nicht übel.«
    »Bringt mir Brot, Obst und etwas Fleisch, wenn Ihr habt«, sagte ich. »Und eine Flasche Obstwein. Am liebsten Erdbeere.«
    Er lehnte sich an den Tresen, hob eine Augenbraue und lächelte herablassend. »Kein Grund zur Eile, mein Junge. Da du jetzt aufgewacht bist, wird der Wachtmeister mit dir sprechen wollen.«
    Ich biss die Zähne zusammen, schluckte die Erwiderung, die mir schon auf der Zunge lag, wieder hinunter, und atmete einmal tief durch. »Hört mir zu. Ich habe ein paar wirklich unangenehme Tage hinter mir. Ich habe Kopfschmerzen, wie Ihr sie Euch überhaupt nicht vorstellen könnt, und eine Freundin von mir befindet sich womöglich in Lebensgefahr.« Ich starrte ihn mit eisiger Miene an. »Ich möchte nicht, dass es hier zu einer unschönen Szene kommt. Und deshalb bitte ich Euch noch einmal ganz freundlich, mir zu bringen, was ich verlangt habe.« Ich zückte meinen Geldbeutel. »Bitte.«
    Er sah mich an, und sein Gesicht verfärbte sich vor Wut. »Du dummer kleiner Wichtigtuer. Wenn du mir nicht ein wenig Respekt entgegenbringst, fessele ich dich an einen Stuhl, bis der Wachtmeister kommt.«
    Ich warf daraufhin einen Eisendeut auf den Tresen und hielt einen zweiten in der geballten Faust.
    Er betrachtete die Münze mit seinem säuerlichen Blick. »Was soll das?«
    Ich konzentrierte mich und spürte, wie die Kälte meinen Arm hinaufkroch. »Das ist Euer Trinkgeld«, sagte ich, während ein kleines Rauchfähnchen von dem Deut aufzusteigen begann. »Weil Ihr mich so prompt und höflich bedient habt.«
    Rings um die Münze begann der Lack Blasen zu schlagen und zu verkohlen. Der Wirt sah sprachlos und entsetzt zu.
    »Und jetzt bringt mir, was ich verlangt habe«, sagte ich und sah ihm in die Augen. »Und auch noch einen Schlauch Wasser. Sonst brenne ich dieses Haus nieder und tanze in der Asche Eurer verkohlten Gebeine.«

    Mit vollem Reisesack kam ich auf den Gipfel des Grausteinhügels. Ich war barfuß und außer Atem und hatte dröhnende Kopfschmerzen. Von Denna war keine Spur zu sehen.
    Ich schaute mich in der näheren Umgebung um; alles, was ich zurückgelassen hatte, lag noch an Ort und Stelle. Auch die beiden Decken waren noch da. Der Wasserschlauch war fast leer, das war die einzige Veränderung. Denna war vielleicht nur kurz mal im Gebüsch verschwunden.
    Ich wartete. Ich wartete länger, als es vernünftig war. Dann rief ich nach ihr, erst leise, dann lauter, obwohl mir der Kopf schrecklich weh tat, wenn ich rief. Schließlich saß ich einfach nur da. Ich konnte nur noch daran denken, wie Denna wohl aufgewacht war – alleine, mit Schmerzen, durstig und desorientiert. Was hatte sie wohl gedacht?
    Ich aß ein wenig und dachte darüber nach, was ich jetzt tun sollte. Ich überlegte kurz, den Wein aufzumachen, wusste aber, dass das eine schlechte Idee war, denn schließlich hatte ich ja ziemlich sicher eine Gehirnerschütterung. Ich rang mit der irrationalen Vorstellung, Denna könnte im Delirium in den Wald gegangen sein, und ich müsste sie nun suchen. Ich überlegte, ob ich ein Lagerfeuer machen sollte, damit sie es sehen könnte und wieder käme.
    Aber nein. Ich wusste, dass sie einfach gegangen war. Sie war aufgewacht, hatte gesehen, dass ich nicht mehr da war, und war gegangen. Wie sie gesagt hatte, als wir das Wirtshaus in Trebon verlassenhatten: Ich gehe, wenn ich nicht willkommen bin. Alles Weitere ergibt sich unterwegs . Glaubte sie etwa, dass ich sie verlassen hatte?
    Dessen ungeachtet hatte ich irgendwie das Gefühl, dass sie schon eine ganze Weile fort war. So packte ich meinen Reisesack. Für den Fall, dass ich mich irrte, schrieb ich ihr einen Brief, in dem ich ihr erklärte, was geschehen war, und sie wissen ließ, dass ich einen Tag lang in Trebon auf sie warten würde. Mit einem Stück Kohle schrieb ich ihren Namen an einen der

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