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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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steckte ihn mir in die Tasche.
    Auf dem Sims ging ich bis zu der Stelle, an der das riesige Eisenrad mit Bolzen an der Steinmauer befestigt war. Das Rad ließ sich schneller besteigen als eine Leiter, auch wenn sich die eisernen Speichen unter meinen immer noch feuchten Händen eiskalt anfühlten.
    Ich erklomm die Oberseite des Rads und schwang mich von dort auf das höchstgelegene Dach der Stadt. Die Feuer waren immernoch unter Kontrolle, und statt der Rufe und Schreie hörte man nun Schluchzer und ein hektisches Stimmengewirr. Ich nahm das Schindelstück aus dem Mund und blies vorsichtig auf die Glut, bis es wieder Feuer fing. Dann konzentrierte ich mich, murmelte noch eine Bindungsformel und hielt den Eichenzweig über die Flamme. Ich ließ den Blick über die Stadt schweifen und sah, dass die Feuersglut weiter eingedämmt war.
    Es dauerte einen Moment, und dann stand der Eichenbaum schlagartig in Flammen. Er leuchtete heller als tausend Fackeln, als sein gesamtes Laub mit einem Schlag Feuer fing.
    In diesem plötzlichen Lichtschein sah ich den Draccus zwei Straßen weiter den Kopf heben. Er brüllte, spie einen blauen Flammenstoß und kam sofort in Richtung des Feuers angerannt. An einer Ecke drehte er sich zu hastig und rammte eine Ladenfassade, die ohne viel Widerstand in sich zusammenfiel.
    Als er dem Baum näherkam, verlangsamte er sein Tempo und spie immer wieder blaue Flammen. Das Laub war schnell heruntergebrannt und ließ nur abertausende kleine Glutstellen übrig, wodurch der Baum wie ein riesiger, eben gelöschter Kandelaber wirkte.
    In dem schummrigen roten Licht war der Draccus kaum mehr als ein Schatten. Dennoch sah ich, dass seine Aufmerksamkeit, da nun die hellen Flammen erloschen waren, auf etwas anderes gelenkt wurde. Er wiegte den riesigen, keilförmigen Kopf hin und her, hin und her. Ich fluchte leise. Er war nicht nah genug.
    Dann schnaubte der Draccus so laut, dass ich es selbst dort oben, dreißig Meter über ihm, hören konnte. Als er den qualmenden Harzsack witterte, riss er den Kopf herum. Er schnupperte und grunzte und kam noch ein Stück näher an den Sack heran. Diesmal legte er viel weniger Zurückhaltung an den Tag. Er stürzte sich förmlich auf den qualmenden Sack und schnappte ihn sich mit weit aufgerissenem Maul.
    Ich atmete tief durch und schüttelte den Kopf, versuchte etwas von der Mattigkeit, die ich empfand, abzuschütteln. Ich hatte kurz nacheinander zwei doch recht ansehnliche sympathetische Leistungen vollbracht und war davon noch ziemlich benommen.
    Doch wie es so schön heißt: Aller guten Dinge sind drei. Ich spaltete meinen Geist in zwei Teile auf, dann, mit einiger Mühe, in drei. Hier würde nur eine dreifache Bindung helfen können.
    Während der Draccus kaute und sich mühte, das klebrige Harz hinunterzuschlingen, holte ich die schwere schwarze Schuppe aus meinem Reisesack und zog dann auch den Lodenstein aus einer Tasche meines Umhangs. Ich sprach die Bindungsformeln klar und deutlich und besann mich auf mein Alar. Dann hielt ich die Schuppe und den Stein vor mich hin, bis ich spürte, dass die Anziehungskraft zu wirken begann.
    Ich konzentrierte mich auf mein Ziel.
    Ich ließ den Lodenstein los. Er schoss auf die eiserne Schuppe zu. Unter meinen Füßen barst die Mauer, als das riesige Eisenrad aus seiner Verankerung riss.
    Eine Tonne Schmiedeeisen stürzte in die Tiefe. Wenn jemand zugesehen hätte, hätte er bemerkt, dass das Rad schneller fiel, als es den Gesetzen der Schwerkraft entsprach. Man hätte auch bemerkt, dass es nicht senkrecht fiel, sondern schräg nach vorn, so als würde es von dem Draccus angezogen. So als schleuderte Tehlu das Rad höchstselbst mit rächender Hand auf das Untier.
    Doch da war niemand, der das beobachtet hätte. Und es war auch kein Gott, der es lenkte. Nur ich.

Kapitel 81
    Stolz

    A ls ich hinabsah, war der Draccus wie festgenagelt unter dem riesigen schmiedeeisernen Rad. Er lag regungslos vor der Kirche, und obwohl es unvermeidlich gewesen war, bedauerte ich es schmerzlich, dass ich das arme Tier getötet hatte.
    Dann verspürte ich auf ein Mal große Erleichterung. Die Herbstluft war frisch und roch trotz des Holzrauchs angenehm, und das Steindach der Kirche fühlte sich kühl an unter meinen Füßen. Richtig zufrieden mit mir stopfte ich die Schuppe und den Lodenstein in meinen Reisesack. Ich atmete tief durch und ließ den Blick über die Stadt schweifen, die ich gerettet hatte.
    Doch da ertönte ein lautes Knirschen und

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