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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Hauptgebäude und dann am Anker’s vorbei. »Meister Elodin?«, sagte ich schließlich.
    »Ja?« Sein Blick folgte einem Eichhörnchen quer über die Straße und einen Baum hinauf.
    »Das mit den Namen verstehe ich immer noch nicht.«
    »Ich werde dich lehren, es zu verstehen«, sagte er leichthin. »Das Wesen der Namen lässt sich nicht beschreiben. Es lässt sich nur aus eigenem Erleben verstehen.«
    »Wieso lässt es sich nicht beschreiben?«, fragte ich. »Wenn man etwas versteht, kann man es doch auch beschreiben.«
    »Kannst du alles beschreiben, was du verstehst?«, fragte er und sah mich von der Seite an.
    »Natürlich.«
    Elodin zeigte auf eine Gestalt, die sich vor uns auf der Straße bewegte. »Welche Farbe hat das Hemd dieses Jungen?«
    »Blau.«
    »Was meinst du mit blau? Beschreibe das.«
    Ich überlegte einen Moment lang und gab dann auf. »Dann ist blau also ein Name?«
    »Es ist ein Wort. Worte sind die blassen Schatten vergessener Namen. Und wie Namen Macht innewohnt, wohnt auch Worten Macht inne. Mit Worten kann man im Geist der Menschen Feuer entfachen. Mit Worten kann man selbst dem hartherzigsten Menschen Tränen entlocken. Es gibt sieben Worte, die einen Menschen dazu bringen, dich zu lieben. Und es gibt zehn Worte, mit denen man den Willen selbst des stärksten Mannes brechen kann. Aber ein Wort ist weiter nichts als die bildliche Darstellung eines Feuers. Ein Name ist das Feuer selbst.«
    Mittlerweile schwirrte mir der Kopf. »Ich verstehe das immer noch nicht.«
    Er legte mir eine Hand auf die Schulter. »Mit Worten über Worte sprechen zu wollen, das ist, als würde man versuchen, mit einem Bleistift eben diesen Bleistift zu zeichnen, und zwar auf dem Bleistift selbst. Unmöglich. Verwirrend. Frustrierend.« Er hob die Hände hoch über den Kopf, so als wollte er nach dem Himmel greifen. »Aber es gibt auch noch andere Wege der Erkenntnis!«, rief er und lachte wie ein Kind. Er wies mit beiden Händen, immer noch lachend, auf das wolkenlose Himmelsgewölbe über uns. »Sieh doch!«, rief er und legte den Kopf in den Nacken. »Blau! Blau! Blau!«

Kapitel 87
    Dreistigkeit

    E r ist wirklich vollkommen verrückt«, sagte ich, als ich später mit Simmon und Wilem beim Wein zusammensaß.
    »Er ist ein Meister«, erwiderte Sim taktvoll. »Und er ist dein Bürge. Und nach dem, was du uns erzählt hast, ist er auch der Grund dafür, dass sie dich nicht rausgeschmissen haben.«
    »Ich will damit nicht sagen, dass er nicht klug wäre, und ich habe ihn Dinge tun sehen, die mir völlig unerklärlich sind. Aber dennoch ist er vollkommen übergeschnappt. Er redet in einem fort über Worte und Namen und Macht. Solange er darüber spricht, klingt es gut. Aber es ergibt genau genommen überhaupt keinen Sinn.«
    »Hör auf, dich zu beklagen«, sagte Simmon. »Du bist vor uns beiden zum Re’lar befördert worden, auch wenn dein Bürge einen Sprung in der Schüssel hat. Und du hast zwanzig Talente dafür kassiert, dass du Ambrose den Arm gebrochen hast. Du bist vollkommen ungeschoren davongekommen. Ich wollte, ich hätte auch nur mal halb so viel Glück.«
    »Keineswegs vollkommen ungeschoren«, erwiderte ich. »Sie werden mich noch auspeitschen lassen.«
    »Was?«, sagte Sim. »Du hast doch gesagt, sie hätten die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.«
    »Den Ausschluss haben sie ausgesetzt«, sagte ich. »Aber nicht die Auspeitschung.«
    Simmon starrte mich an. »Mein Gott, warum denn das?«
    »Wegen der Straftat«, sagte Wilem. »Sie können einen Studenten nicht ungeschoren davonkommen lassen, nachdem sie ihn einer Straftat für schuldig befunden haben.«
    »Das hat Elodin auch gesagt.« Ich trank noch einen Schluck. Und noch einen.
    »Ach was«, ereiferte sich Simmon. »Das ist doch barbarisch.« Beim letzten Wort schlug er mit der Faust auf den Tisch und kippte dabei sein Glas um. Dunkler Scutten ergoss sich über die Tischplatte. »Oje.« Er sprang auf und versuchte den Wein mit den Händen aufzuhalten.
    Ich musste fürchterlich lachen, bis ich Tränen in den Augen hatte und mir der Bauch weh tat. Als ich schließlich wieder Luft bekam, hatte ich das Gefühl, dass eine Last von mir genommen war. »Ich liebe dich, Sim«, sagte ich in vollem Ernst. »Manchmal glaube ich, du bist der einzige aufrichtige Mensch, den ich kenne.«
    »Du bist betrunken.«
    »Nein, das ist wahr. Du bist ein guter Mensch. Ein besserer, als ich es je sein werde.« Er sah mich an, als wüsste er nicht recht, ob ich mich über ihn

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