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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Wind hat dir gehorcht.«
    Ich versuchte das zu verstehen. »Wollt Ihr damit sagen, dass der Wind lebendig ist?«
    Er machte eine vage Geste. »In gewisser Hinsicht schon. Auf die eine oder andere Art sind die meisten Dinge lebendig.«
    Ich versuchte es noch einmal anders. »Aber wie habe ich denn den Wind gerufen, wenn ich doch gar nicht weiß, wie man das macht?«
    Da klatschte Elodin in die Hände. » Das ist eine sehr gute Frage! Und die Antwort lautet: Jeder von uns hat zweierlei Geist. Einen wachen Geist und einen schlafenden Geist. Unser wacher Geist ist der, der denkt und spricht. Unser schlafender Geist aber ist viel mächtiger. Er schaut tief in das Herz der Dinge hinein. Das ist der Teil von uns, der träumt. Er erinnert sich an alles. Er verleiht uns die Intuition. Dein wacher Geist versteht das Wesen der Namen nicht. Dein schlafender Geist versteht es durchaus. Er weiß bereits vieles, was dein wacher Geist nicht weiß.«
    Elodin sah mich an. »Weißt du noch, wie du dich gefühlt hast, nachdem du den Namen des Windes gerufen hattest?«
    Ich nickte. Es war keine angenehme Erinnerung.
    »Als Ambrose deine Laute zerbrach, hat er damit deinen schlafenden Geist geweckt. Und wie ein Bär im Winterschlaf, den man mit einem brennenden Stock anstößt, hat er sich aufgebäumt und den Namen des Windes gebrüllt.« Er fuchtelte wild mit den Armen und erntete von einigen vorübergehenden Studenten befremdete Blicke. »Und anschließend wusste dein wacher Geist nicht, was er tun sollte. Er war jetzt plötzlich allein mit einem wütenden Bären.«
    »Und was habt Ihr getan? Ich kann mich nicht mehr erinnern, was Ihr mir zugeflüstert habt.«
    »Es war ein Name. Es war ein Name, der den Bär beruhigte und wieder einschlafen ließ. Doch jetzt schläft er nicht mehr so tief.Wir müssen ihn nun vorsichtig wecken und unter deine Kontrolle bringen.«
    »Habt Ihr deshalb den Antrag gestellt, meinen Ausschluss auszusetzen?«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du warst nie wirklich in der Gefahr, verwiesen zu werden. Du bist nicht der erste Student, der im Zorn den Namen des Windes rief, aber doch der erste seit etlichen Jahren. Es ist meist eine starke Gefühlsaufwallung, die den schlafenden Geist zum ersten Mal weckt.« Er lächelte. »Mir kam der Name des Windes, als ich mich einmal mit Elxa Dal stritt. Und als ich ihn rief, sind seine Kohlenbecken explodiert«, sagte er und kicherte.
    »Was hatte er getan, dass er Euch so in Wut versetzte?«
    »Er hatte sich geweigert, mir die höheren Bindungen beizubringen. Ich war erst vierzehn und noch E’lir. Er sagte, ich müsste warten, bis ich ein Re’lar sei.«
    »Es gibt höhere Bindungen?«
    Er grinste mich an. »Geheimnisse, Re’lar Kvothe – das ist es, worum es geht, wenn man Arkanist ist. Und da du nun Re’lar bist, hast du ein Anrecht auf gewisse Dinge, die dir bisher vorenthalten wurden. Die höheren sympathetischen Bindungen, das Wesen der Namen. Und auch einige recht fragwürdige Runen, falls Kilvin meint, du seist schon so weit.«
    In mir keimte Hoffnung auf. »Bedeutet das, dass ich jetzt wieder Zugang zur Bibliothek habe?«
    »Oh«, sagte Elodin. »Nein. Ganz und gar nicht. Die Bibliothek ist Lorrens Domäne. Sein Königreich. Und es ist nicht an mir, dich in die dortigen Geheimnisse einzuweihen.«
    Als er das sagte, kam mir etwas in den Sinn, das mich seit Monaten nicht losließ. Das Geheimnis im Innern der Bibliothek. »Was ist mit dieser Steintür im Magazin?«, fragte ich. »Der Tür mit den vier Kupferplatten? Könnt Ihr mir nun, da ich ein Re’lar bin, verraten, was sich dahinter verbirgt?«
    Elodin lachte. »O nein. Nein, nein. Du hältst dich nicht mit kleinen Geheimnissen auf, was?« Er klopfte mir auf den Rücken, so als hätte ich gerade einen besonders guten Scherz gemacht. » Valaritas . Mein Gott, ich weiß noch genau, wie es war, als ich zum ersten Malvor dieser Tür stand.« Er lachte wieder. »Gütiger Tehlu, ich bin fast gestorben vor Neugier.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Die Tür mit den vier Kupferplatten wirst du nicht öffnen dürfen. Aber –« Er sah mich mit Verschwörermiene an. »Da du ja nun ein Re’lar bist …« Er blickte sich um, so als fürchte er, dass uns jemand belauschen könnte. Ich kam ein wenig näher. »Da du ja nun ein Re’lar bist, gebe ich zu, dass es sie gibt.« Er zwinkerte mir zu.
    Ich war enttäuscht, konnte mir aber dennoch ein Lächeln nicht verkneifen. Schweigend gingen wir weiter, erst am

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