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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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allerdings auch fürchterlich teuer. Ich hätte wetten mögen, dass in dieser kleinen Stadt niemand je davon gehört, geschweige denn schon einmal eine gesehen hatte.
    Der Wachtmeister blieb abrupt stehen, als das Licht aufleuchtete. Als jedoch weiter nichts geschah, machte er ein zorniges Gesicht und ging weiter auf den Wagen zu.
    Nun war der alte Mann besorgt. »Moment mal«, sagte er, und das rote Licht aus dem Wagen wurde schwächer. »Wir wollen doch nicht, dass …«
    »Halt die Schnauze, alter Schwätzer«, sagte der Wachtmeister. Er packte den Arkanisten beim Arm, so vorsichtig, als würde er eine Hand in einen Ofen stecken. Als daraufhin nichts geschah, lächelte er und wurde selbstsicherer. »Glaub bloß nicht, dass ich dir keins überbrate, um dich davon abzuhalten, hier weiter deine Teufelskunst zu treiben.«
    »Gut so, Tom«, sagte der Bürgermeister erleichtert. »Führ ihn ab. Den Wagen lassen wir später holen.«
    Der Wachtmeister grinste und drehte dem alten Mann den Arm auf den Rücken. Der Arkanist krümmte sich und ächzte vor Schmerz.
    Von meinem Versteck aus sah ich, wie der besorgte Gesichtsausdruck des Arkanisten im Nu wütend wurde. Ich sah, dass er den Mund bewegte.
    Wie aus dem Nichts kam ein heftiger Windstoß, so als wäre ohne Vorwarnung ein Sturm losgebrochen. Der Wind packte den Wagen des alten Mannes, hob ihn an, bis er nur noch auf zwei Rädern stand, und rammte ihn dann wieder zu Boden. Der Wachtmeister wankte und stürzte lang hin, als hätte die unsichtbare Hand Gottes ihn niedergestreckt. Selbst dort, wo ich mich versteckte, gut zehn Meter entfernt, war der Wind so stark, dass ich einen Schritt nach vorn machen musste, so als würde ich von hinten geschoben.
    »Fort mit euch!«, rief der alte Mann zornig. »Hört auf, mich zu behelligen! Sonst stecke ich euer Blut in Brand und erfülle euch mit einer Furcht wie aus Eis und Eisen!« Seine Worte kamen mir bekannt vor, aber ich hätte nicht sagen können, woher.
    Die beiden Männer nahmen nun Reißaus wie scheuende Pferde.
    Der Wind legte sich so schnell, wie er gekommen war. Der plötzliche Windstoß hatte im ganzen höchstens fünf Sekunden lang angehalten. Da sich die meisten Einwohner der Stadt im und um das Wirtshaus aufhielten, bezweifelte ich, dass irgend jemand es gesehen hatte – abgesehen von mir, dem Bürgermeister, dem Wachtmeister und den Eseln des alten Mannes, die ganz ruhig und gänzlich unbeeindruckt in ihrem Geschirr standen.
    »Hebt euch von dannen, widerwärtige Gestalten«, murmelte der Arkanist und sah den Männern nach. »Mittels der Macht meines Namens befehle ich es.«
    Nun wurde mir klar, warum mir seine Worte bekannt vorkamen. Es waren Zitate aus der Exorzismus-Szene in Daeonica . Ein Stück, das nicht viele Leute kannten.
    Der alte Mann wandte sich wieder zu seinem Wagen und begann zu extemporieren. »Ich verwandle euch in ein Stück Butter an einem Sommertag. Ich verwandle euch in einen Dichter mit der Seele eines Priesters. Ich fülle euch mit Zitronenpudding und werfe euch aus dem Fenster.« Er spie aus. »Dreckskerle.«
    Sein Zorn schien schließlich zu verrauchen, und er seufzte erschöpft. »Also, schlimmer hätte es ja fast nicht kommen können«, murmelte er und rieb sich die Schulter, die ihm der Wachtmeister verdreht hatte. »Ob die wohl wiederkommen? Mit einem Mob im Schlepptau?«
    Einen Moment lang glaubte ich, der alte Mann redete mit mir. Dann wurde mir klar, dass er mit seinen Eseln sprach.
    »Glaube ich auch nicht«, sagte er. »Aber man weiß ja nie. Bleiben wir doch lieber hier am Stadtrand und schaun mal, was der Hafersack noch hergibt, hm?«
    Er stieg hinten auf den Wagen und kam mit einem breiten Eimer und einem fast leeren Sack wieder. Den Inhalt kippte er in den Eimer und wirkte angesichts des Ergebnisses entmutigt. Er nahm sich selbsteine Handvoll und schob den Eimer dann den Eseln hin. »Guckt mich nicht so an«, sagte er. »Wir bekommen alle nur eine kleine Ration. Und ihr könnt außerdem grasen.« Er tätschelte einen Esel, während er selber seine Handvoll Hafer aß und dabei gelegentlich eine Spelze ausspuckte.
    Ich fand das sehr traurig: Dieser alte Mann, ganz allein unterwegs, und außer seinen Eseln hatte er keinen, mit dem er reden konnte. Für uns Edema Ruh war es schon schwer genug, aber wir hatten wenigstens einander. Dieser Mann hingegen hatte niemanden.
    »Wir haben uns zu weit von der Zivilisation entfernt, Jungs. Die Leute, die mich bräuchten, trauen mir nicht,

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