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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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mir Schwierigkeiten bereitet«, sagte mein Vater. »Ich habe einige Dutzend gesammelt, und ich würde gerne Eure Meinung dazu hören. Der –«
    »Arl«, unterbrach ihn Ben. »Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr sie nicht laut aussprechen würdet. Die Namen, meine ich. Wenn Ihr mögt, könnt Ihr sie in die Erde schreiben, oder ich könnte schnell eine Schiefertafel holen, aber mir wäre wohler, wenn Ihr sie nicht aussprechen würdet. Ihr wisst ja: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
    Tiefes Schweigen folgte. Ich hielt mitten im Schritt inne, nur einen Fuß auf dem Boden, weil ich fürchtete, sie hätten mich gehört.
    »Jetzt schaut mich bitte nicht so an«, sagte Ben gereizt.
    »Wir sind nur erstaunt, Ben«, erwiderte die sanfte Stimme meiner Mutter. »Ihr wirkt sonst gar nicht so abergläubisch.«
    »Das bin ich auch nicht«, sagte Ben. »Ich bin nur vorsichtig. Das ist etwas anderes.«
    »Natürlich«, sagte mein Vater. »Ich würde niemals –«
    »Hebt Euch das für Eure zahlende Kundschaft auf, Arl«, schnitt Ben ihm das Wort ab. Er klang nun deutlich gereizt. »Ihr seid ein zu guter Schauspieler, um es Euch anmerken zu lassen, aber ich merke ganz genau, wenn mich jemand für einen Dummkopf hält.«
    »Ich habe das bloß nicht erwartet, Ben«, sagte mein Vater entschuldigend. »Ihr seid ein gebildeter Mann, und ich bin die Leute so leid, die ein Stück Eisen berühren oder ihr Bier auskippen, sobald ich auf die Chandrian zu sprechen komme. Ich rekonstruiere hier lediglich eine Geschichte – ich dilettiere nicht etwa in den dunklen Künsten.«
    »Lasst mich ausreden. Ihr seid mir beide zu lieb, als dass ich zulassen würde, dass Ihr mich für einen alten Narren haltet«, sagte Ben. »Und außerdem habe ich nachher noch etwas mit Euch zu besprechen, und dafür ist es erforderlich, dass Ihr mich ernst nehmt.«
    Der Wind frischte wieder auf, und ich nutzte das Rauschen dazu, ein paar Schritte zu machen. Ich bog um die Ecke des elterlichen Wagens und spähte nun durch einen Laubvorhang. Die drei saßen rund um das Lagerfeuer. Ben hockte in seinem abgetragenen braunen Umhang auf einem Baumstumpf. Meine Eltern saßen ihm gegenüber. Meine Mutter lehnte sich an meinen Vater, und beide hatten sich in eine Decke gehüllt.
    Ben goss aus einem Tonkrug etwas in einen Lederbecher und reichte ihn meiner Mutter. Dann ergriff er wieder das Wort, und sein Atem dampfte. »Wie steht man denn in Atur zu Dämonen?«, fragte er.
    »Man fürchtet sie.« Mein Vater pochte sich mit einer Fingerspitze an die Stirn. »Dieses ewige Geglaube führt zu Hirnerweichung.«
    »Und in Vintas?«, fragte Ben. »Da gibt es doch auch viele Tehlaner. Ist es dort genauso?«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Dort findet man das ein wenig dumm. Man spricht dort eher metaphorisch von Dämonen.«
    »Und wovor fürchtet man sich des Nachts in Vintas?«
    »Vor den Fae«, sagte meine Mutter.
    »Draugar«, sagte mein Vater gleichzeitig.
    »Ihr habt beide recht, je nachdem, in welchem Landesteil man sich befindet«, sagte Ben. »Und hier im Commonwealth lacht man sich über beides ins Fäustchen.« Er wies auf die umstehenden Bäume. »Hier aber sind die Leute, wenn der Herbst kommt, sehr vorsichtig, aus Furcht, die Aufmerksamkeit der Butzemänner zu erregen.«
    »So ist das nun mal«, sagte mein Vater. »Und eine gute Schauspieltruppe muss immer wissen, wohin ihr Publikum jeweils tendiert.«  
    »Ihr haltet mich doch immer noch für plemplem«, sagte Ben belustigt. »Hört mal, wenn wir morgen nach Biren kämen, und jemand dort würde Euch erzählen, dass es in den Wäldern Butzemänner gibt, würdet Ihr das glauben?« Mein Vater schüttelte den Kopf. »Und wenn zwei Leute es Euch erzählen würden?« Erneutes Kopfschütteln.
    Ben beugte sich auf seinem Baumstumpf vor. »Und wenn ein Dutzend Leute Euch vollkommen ernsthaft erzählen würden, dass draußen auf den Feldern Butzemänner seien, und die fräßen –«
    »Natürlich würde ich ihnen nicht glauben«, sagte mein Vater gereizt. »Das ist doch lächerlich.«
    »Natürlich ist es das«, pflichtete Ben bei und hob einen Zeigefinger. »Aber die eigentliche Frage ist doch: Würdet Ihr in den Wald gehen?«
    Mein Vater saß einen Moment lang ganz still und nachdenklich da.
    Ben nickte. »Ihr wäret ein Narr, wenn Ihr die Warnungen der halben Stadt in den Wind schlagen würdet, auch wenn Ihr nicht an die gleichen Dinge glaubt wie sie. Wovor habt Ihr denn Angst, wenn nicht vor

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