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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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anschließend tun einem die Keuschen leid, die ihr entronnen sind.« Sie lehnte sich wieder an meinen Vater und hielt seine Hand im Schoß. Dann neigte sie den Kopf ein wenig, und er verstand den Wink, beugte sich hinüber und küsste sie auf den Mundwinkel.
    »Amen«, sagte Ben und hob seine Tasse.
    Mein Vater legte einen Arm um meine Mutter und drückte sie an sich. »Ich verstehe immer noch nicht, worauf Ihr hinauswollt, Ben.«
    »Er macht alles mit dieser Leichtigkeit und Schnelligkeit, und er macht so gut wie keine Fehler. Ich wette, er kennt sämtliche Lieder auswendig, die Ihr ihm je vorgesungen habt. Er weiß mittlerweile besser über den Inhalt meines Wagens Bescheid als ich selber.«
    Er nahm den Krug und zog den Korken heraus. »Und er lernt nicht nur auswendig. Er versteht es auch. Die Hälfte dessen, was ich ihm eigentlich zeigen wollte, hat er ganz von alleine herausbekommen.«
    Ben schenkte meiner Mutter nach. »Er ist elf Jahre alt. Seid Ihr schon jemals einem Jungen in seinem Alter begegnet, der so redet wie er? Das kommt natürlich auch daher, dass er in einer so aufgeklärten Umgebung aufwächst.« Ben wies auf die Wagen. »In den tiefgründigsten Gedanken der meisten Elfjährigen geht es eher darum, wie man Steine am besten übers Wasser flitscht oder Katzen am Schwanz herumschleudert.«
    Meine Mutter lachte glockenhell, Abenthys Miene aber blieb ernst. »Das ist die Wahrheit. Ich hatte schon weit ältere Schüler, die viel darum gegeben hätten, auch nur halb so gut zu sein wie er.« Er grinste. »Wenn ich seine Hände hätte und nur ein Viertel seines Verstands, würde ich binnen Jahresfrist von silbernen Tellern essen.«
    Es herrschte kurz Schweigen. Dann sagte meine Mutter leise: »Ich weiß noch, wie es war, als er noch ganz klein war und auf wackligen Beinen ging. Beobachtet – er hat immer alles beobachtet. Mit klaren, hellen Augen, die aussahen, als wollten sie die ganze Welt in sich aufsaugen.« Ihre Stimme zitterte ein wenig. Mein Vater legte wieder einen Arm um sie, und sie lehnte den Kopf an seine Brust.
    Das nächste Schweigen währte länger. Ich hatte schon vor fortzuschleichen, als mein Vater es brach. »Was schlagt Ihr vor, was sollen wir tun?« In seinem Ton schwangen leichte Besorgnis und Vaterstolz mit.
    Ben lächelte. »Ich sage nur, dass Ihr Euch überlegen solltet, welche Wahlmöglichkeiten Ihr ihm eröffnet, wenn einmal die Zeit dazu gekommen ist. Er wird der Welt seinen Stempel aufdrücken – als einer der Besten.«
    »Der besten was?«, fragte mein Vater.
    »Was auch immer er sich erwählt. Wenn er bei Euch bleibt, wird er zweifellos der nächste Illien.«
    Mein Vater lächelte. Illien war der große Held jedes fahrenden Schauspielers und der einzige wirklich berühmte Edema Ruh aller Zeiten. Unsere ältesten und schönsten Lieder stammen von ihm.
    Hinzu kommt, dass Illien, glaubt man den Geschichten, die man sich über ihn erzählt, zu seiner Zeit die Laute neu erfunden hat. Als meisterhafter Lautenist schuf er auf der Grundlage der damaligen altertümlichen, unhandlichen Hoflaute die wunderbare, vielseitige, siebensaitige Laute von heute. In diesen Geschichten heißt es auch, Illien sei mit seiner eigenen Laute noch einen Schritt weitergegangen, und sie habe acht Saiten gehabt.
    »Illien. Der Gedanke gefällt mir«, sagte meine Mutter. »Könige kommen von weither, um meinen kleinen Kvothe spielen zu hören.«
    »Mit seiner Musik schlichtet er Kneipenschlägereien ebenso wie Grenzkriege.« Ben lächelte.
    »Die wilden Frauen auf seinem Schoß«, begeisterte sich mein Vater, »pressen seinen Kopf zwischen ihre Brüste.«
    Verblüfftes Schweigen. Dann sagte meine Mutter leicht gereizt: »Du meinst doch wohl eher: ›Wilde Tiere legen ihren Kopf in seinen Schoß.‹«
    »Meine ich das, ja?«
    Ben räusperte sich und fuhr fort: »Wenn er beschließt, Arkanist zu werden, wette ich, dass er mit spätestens vierundzwanzig Hofarkanist eines Königs sein wird. Und wenn er es sich in den Kopf setzen sollte, Kaufmann zu werden, wird ihm zweifellos bei seinem Ableben die halbe Welt gehören.«
    Mein Vater zog die Augenbrauen zusammen. Ben lächelte und sagte: »Keine Sorge. Er ist viel zu neugierig, um Kaufmann zu werden.«
    Ben hielt inne, wie um sich seine Worte sehr genau zu überlegen. »Er würde an der Universität angenommen. Natürlich erst in einigen Jahren. Siebzehn müsste er mindestens sein, aber ich habe keinen Zweifel, dass …«
    Den Rest dessen, was Ben sagte,

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