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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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hörte ich nicht mehr. Die Universität! Das war für mich, was für die meisten Kinder das Märchenland ist: Ein mythischer Ort, von dem man nur träumen konnte. Eine Schule, so groß wie eine Kleinstadt. Zehn mal zehntausend Bücher. Menschen, die auf jede Frage, die ich stellte, eine Antwort wussten …
    Als ich meine Aufmerksamkeit wieder den anderen zuwandte, war es still geworden.
    Mein Vater sah meine Mutter an, die sich in seinen Arm schmiegte. »Wie ist es, Weib? Hast du vor einem Jahrdutzend etwa einmal mit einem wandernden Gott das Lager geteilt? Das könnte unser kleines Rätsel lösen.«
    Sie gab ihm einen Klaps, und dann huschte ein nachdenklicher Blick über ihr Gesicht. »Wo ich jetzt daran denke … Es gab da eine Nacht vor ungefähr zwölf Jahren. Da kam ein Mann zu mir. Er fesselte mich mit Küssen und Liebesliedern. Er raubte mir die Unschuld und stahl sich mit mir fort.« Sie hielt inne. »Aber der hatte kein rotes Haar. Der kann es also nicht gewesen sein.«
    Sie schenkte meinem Vater ein schelmisches Lächeln. Er schien sich ein wenig zu genieren. Dann küsste sie ihn. Und er erwiderte den Kuss.
    So möchte ich die beiden in Erinnerung behalten. Ich schlich mich fort, nur noch die Universität im Kopf.

Kapitel 13
    Zwischenspiel: Aus Fleisch und Blut

    I m Wirtshaus zum Wegstein herrschte Schweigen. Es umhüllte die beiden Männer, die in dem sonst leeren Raum an einem Tisch saßen. Kvothe war verstummt. Zwar schien er auf seine gefalteten Hände hinabzuschauen, doch in Wirklichkeit war sein Blick ins Nirgendwo gerichtet. Als er ihn schließlich wieder hob, schien er fast erstaunt, den Chronisten ihm gegenüber sitzen zu sehen, der die Feder über dem Tintenfass bereithielt.
    Kvothe atmete befangen aus und wies den Chronisten mit einer Geste an, die Feder abzusetzen. Der Chronist wischte die Federspitze an einem sauberen Tuch ab und legte sie dann nieder.
    »Ich könnte etwas zu trinken vertragen«, verkündete Kvothe plötzlich, so als würde ihn das in Erstaunen versetzen. »Ich habe in letzter Zeit nicht allzu oft Geschichten erzählt und bin ganz ausgedörrt.« Er erhob sich geschmeidig und ging zwischen den freien Tischen hindurch zum leeren Tresen. »Ich kann Euch fast alles anbieten – dunkles Bier, hellen Wein, würzigen Cidre, heiße Schokolade, Kaffee …«
    Der Chronist hob eine Augenbraue. »Eine Schokolade wäre wunderbar. Ich hätte nicht erwartet, dass man hier so etwas bekommt. So weit von …« Er räusperte sich höflich. »Nun ja, von allem …«
    »Wir haben alles hier in unserem Wirtshaus«, sagte Kvothe und wies mit einer lässigen Geste in den leeren Saal. »Von Kundschaft einmal abgesehen.«
    Er holte einen Steingutkrug hervor und stellte ihn auf den Tresen. Es klang hohl. Er seufzte und rief: »Bast! Holst du bitte etwas Cidre herauf?«
    Aus einer Türöffnung hinten im Raum drang eine unverständliche Antwort.
    »Bast«, sagte Kvothe tadelnd, aber anscheinend zu leise.
    »Komm runter und hol’s dir selber!«, rief die Stimme aus dem Keller. »Ich bin beschäftigt.«
    »Ein Gehilfe?«, fragte der Chronist.
    Kvothe stützte die Ellenbogen auf den Tresen und lächelte nachsichtig.
    Einen Moment später hörte man durch die Türöffnung Stiefelschritte eine Holztreppe heraufkommen. Bast betrat vor sich hin murmelnd den Saal.
    Er war ganz schlicht gekleidet: Ein schwarzes, langärmliges Hemd steckte in einer schwarzen Hose, die wiederum in weichen, schwarzen Stiefeln steckte. Sein Gesicht war fein geschnitten und markant, beinahe schön, und er hatte leuchtend blaue Augen.
    Er brachte einen Krug zum Tresen und ging dabei mit seltsamer, aber nicht unangenehmer Anmut. »Ein einziger Gast?«, sagte er vorwurfsvoll. »Und da konntest du den Cidre nicht selber holen? Du hast mich aus dem Celum Tinture herausgerissen. Seit fast einem Monat liegst du mir in den Ohren, dass ich das endlich mal lesen soll.«
    »Bast, weißt du, was man an der Universität mit Studenten macht, die ihre Lehrer belauschen?«, fragte Kvothe scherzhaft.
    Bast legte sich eine Hand aufs Herz und begann seine Unschuld zu beteuern.
    »Bast …« Kvothe sah ihn streng an.
    Bast machte den Mund zu, sah für einen Moment so aus, als würde er nun versuchen, Erklärungen vorzubringen, ließ dann aber die Schultern hängen. »Woran hast du das gemerkt?«
    Kvothe lachte leise. »Um dieses Buch machst du doch schon seit Ewigkeiten einen großen Bogen. Entweder bist du mit einem Mal ein ganz besonders

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