Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
als sie die beiden als bemerkenswertes Paar bezeichnet hatte.
Dr. L war groß gewachsen und sonnengebräunt und hatte die weißesten Zähne, die Kass je gesehen hatte. Er trug einen grauen Anzug und eine silberfarbene Krawatte, die zu seinem silbrigen Haar passte, das aussah, als wäre er in eine frische Brise geraten, obwohl sich kein einziges Härchen bewegte. Trotz seiner Haarfarbe war sein Gesicht faltenlos. Er sah so gut aus, dass es schon fast unwirklich war.
Madame Mauvais war, wenn das überhaupt möglich war, noch attraktiver. Und das nicht nur, weil sie üppig mit Gold-schmuck behängt war. Sie war fast genauso groß wie Dr. L und hatte die allerwinzigschmalste Taille – wie eine zum Leben erwachte Puppe. Sie hatte blondes Barbiehaar, das aus der Stirn zurückgekämmt war und wie ein maßangefertigter goldener Helm anlag. Ihre himmelblauen Augen waren groß und rund und strahlend und sie schien so gut wie nie zu blinzeln. Auch ihre Haut war glatt und faltenlos wie bei einer Puppe. In ihrem Gesicht regte sich nichts, selbst wenn sie sprach.
Sie und Dr. L sahen aus, als hätten sie ein Foto von sich gemacht, genau in dem Augenblick, in dem sie am vorteilhaftesten aussahen, und als hätten sie dann mit einem Zauberspruch dafür gesorgt, dass sie für immer und ewig so perfekt aussahen wie auf dem Foto.
Und noch etwas war merkwürdig: Beide trugen Handschuhe, obwohl es ein sehr warmer Tag war.
Mit anderen Worten, sie waren Furcht einflößend. Zumindest für Kass.
Max-Ernest hingegen war fasziniert. »Das ist die schönste Frau, die ich je gesehen habe«, flüsterte er, als Kass endlich die Hand von seinem Mund nahm.
»Bist du übergeschnappt?«, flüsterte Kass zurück. »Sie sieht aus wie ein Zombie. Beide sehen so aus.«
Mit einem fragenden Gesichtsausdruck blickte Madame Mauvais genau in ihre Richtung. Eine Sekunde lang fürchteten die beiden Kinder, sie wären entdeckt worden, aber vielleicht hatte Madame Mauvais immer diesen durchdringenden Blick, denn sie wandte sich jetzt wieder an Gloria.
»Wie ich sehe, haben Sie sämtliche Habseligkeiten des Vorbesitzers entfernt«, stellte sie fest. »Er war ein Magier, sagten Sie?«
»Ja, oder eigentlich eher nein. Ich kann mich nicht daran erinnern, das gesagt zu haben. Andererseits muss ich es ja wohl erwähnt haben«, kicherte Gloria. »Woher sollten Sie es sonst wissen?«
»In der Tat, woher sonst?«, sagte Madame Mauvais und warf Dr. L zum wiederholten Mal einen bedeutungsvollen Blick zu. »Gewiss hat er viele interessante Dinge hinterlassen. Lassen seine Besitztümer auf seinen Charakter schließen?«
»Oh nein«, sagte Gloria. »Es war nur ein Haufen wertloses Zeug... Möchten Sie jetzt vielleicht die anderen Räume sehen?«
»Und wo ist dieses ›Zeug‹ jetzt?«, fragte Madame Mauvais beharrlich und ignorierte Glorias Frage.
»Ach, das habe ich weggegeben.«
»Ich verstehe. Und wem haben Sie es gegeben?«, fragte Madame Mauvais betont unbeteiligt, als unterhielten sie sich gerade übers Wetter.
Kass schüttelte unwillkürlich den Kopf. Nein, flehte sie und hoffte inständig, Gloria würde nicht darauf antworten. Aus irgendeinem Grund – vielleicht lag es an Sebastians merkwürdigem Verhalten, vielleicht am Tonfall des seltsamen Paars – bezweifelte Kass, dass Dr. L und Madame Mauvais auf Wohnungssuche waren. Genauso bezweifelte sie, dass sie frisch verheiratet waren. Eins wusste sie jedoch genau: Sie wollte unter keinen Umständen, dass die beiden auch nur in die Nähe des Antiquitätenladens ihrer Großväter kamen.
»Oh, ich erinnere mich nicht mehr daran. Ich glaube, ich habe alles weggeworfen«, sagte Gloria, die vielleicht ähnliche Gedanken hegte wie Kass.
Kass stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Dr. L machte einen Schritt auf Gloria zu. »Dieser Magier, von dem Sie sprachen, hat er irgendwelche Papiere oder Unterlagen hinterlassen?«
Gloria schüttelte nervös den Kopf und wich einen Schritt zurück. »Nein, nichts dergleichen.«
Dr. L sah sie scharf an, wie ein Ankläger den Zeugen. »Ein ledernes Notizbuch vielleicht? Denken Sie nach.«
Als Max-Ernest das hörte, bekam er einen solchen Hustenanfall, dass er einen Stapel Kisten zum Einsturz brachte.
Schwer zu sagen, was in dem folgenden Durcheinander eigentlich genau passierte. Kass wusste später nur so viel: Als sie mit Max-Ernest und Sebastian aus dem Badezimmer stürmte, hielt sie kurz an und sagte zu Dr. L und Madame Mauvais: »Ich glaube, das Notizbuch, das
Weitere Kostenlose Bücher