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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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andere einfach an einem abprallen. Mutters Bemerkung tat richtig weh.
    „Erkundige dich doch bei deinen Freundinnen, ob nicht irgendwer jemanden kennt, der vorübergehend als Babysitter einspringen kann“, schlug Mutter vor.
    Ich starrte sie an. Sie bot nicht an, dies für mich zu übernehmen oder ihre Bürovorsteherin mit der Suche nach einer geeigneten Person zu beauftragen? Langsam dämmerte es mir, dass Mutter nicht ganz auf der Höhe zu sein schien. Meine eigenen Probleme hatten mich so in Anspruch genommen, dass ich mir die Frau vor mir noch nicht einmal genau angesehen hatte.
    „Was ist los?“, fragte ich mit zitternder Stimme. Ich hasste es, wenn meine Stimme so zitterte.
    „John hatte einen leichten ... so etwas wie einen Herzinfarkt. Letzte Nacht, ungefähr zwei Stunden nach deinem Anruf.“
    „Oh, nein!“ Sofort schossen mir Tränen in die Augen. Ich mochte John Queensland sehr, wir waren schon befreundet gewesen, bevor er meiner Mutter den Hof machte und die beiden heirateten. Ich holte tief Luft, Mutter weinte nicht, deshalb durfte ich es auch nicht tun. „Wie geht es ihm?“
    „Ich habe ihn nach Atlanta verlegen lassen, da machen sie gerade alle möglichen Untersuchungen.“ Jetzt, wo ich genau hinschaute, waren Angst und Erschöpfung in ihrem Gesicht nicht mehr zu übersehen.
    „Das tut mir unendlich leid“, sagte ich leise. „Wie kann ich dir helfen?“
    „Du hast selbst genug um die Ohren.“ Mutter sah aus dem Küchenfenster. Es war wieder so ein windiger, bedeckter Tag, ein Blatt des Gummibaums wehte vorbei. „Momentan kann ich nicht viel mehr tun, als in Krankenhäusern zu sitzen, und dabei kannst du mir nicht helfen.“
    Ich dachte an Martin, das Baby, die verschwundene Frau, den toten Mann.
    Meine Mutter brauchte endlich einmal mich und nicht umgekehrt, und ich konnte nicht helfen.
    „Sind Avery und John David hier?“, fragte ich. Avery und John David waren Johns Söhne, beide in ihren Dreißigern, beide verheiratet.
    „John David fliegt heute Morgen hierher. Melinda holt ihn vom Flughafen ab und bringt ihn ins Krankenhaus. Das kann sie auch mit den Kindern im Auto erledigen.“ Ein feines Lächeln huschte über Mutters Gesicht und versetzte mir einen weiteren Stich. Sie schien Melinda, Averys Frau, inzwischen sehr gern zu haben.
    „Wie ist denn die Prognose?“, erkundigte ich mich zaghaft, fürchtete ich mich doch sehr vor der Antwort. Hinter Mutter war inzwischen Martin aufgetaucht. Wie lange mochte er dort wohl schon stehen?
    „Das wissen wir noch nicht“, antwortete Mutter leise. „Er ist immer wieder kurz wach, hat aber ziemliche Schmerzen.“
    „Mach dir um uns keine Sorgen, Aida.“ Mein Mann war neben meine Mutter getreten, um ihr die Hand auf die Schulter zu legen. Mutter schien dankbar für diese Berührung. Sie legte ihre Hand auf seine. Allerdings verging dieser Moment schnell, und die beiden zogen sich zurück in die kompetenten, leicht distanzierten Persönlichkeiten, in denen sie sich wohler fühlten. „Wir haben weiter keine Probleme“, fuhr Martin fort. „Wir müssen nur diese eine Sache hier klären.“
    „Roe“, sagte Mutter, während sie ihre Handtasche ergriff und zur Tür ging. „Eine Menge Ärger, und alles auf einmal.“
    Mir war klar, was sie damit sagen wollte: Sie entschuldigte sich bei mir, weil sie sich auf ihren Mann konzentrierte, oder sprach zumindest ihr Bedauern darüber aus, dass meine Probleme momentan nicht ihre einzigen Sorgen waren. „Alles wird gut“, munterte ich sie auf, obwohl ich mir mühsam die Tränen verkniff. „Ich melde mich später bei dir. Sag John, ich denke an ihn.“
    Mutter nickte schweigend. Sie hatte mir Johns Telefonnummer im Krankenhaus auf ein Stück Papier gekritzelt, das sie mir jetzt reichte.
    Nachdem Mutter gegangen war, sank ich auf einen Stuhl und vergrub den Kopf in den Armen. Wenn das Baby jetzt anfing zu weinen, würde ich das einfach nicht ertragen können.
    Das Baby begann zu weinen.
    Ich zwang mich zum Aufstehen und ging zum Kühlschrank. Während ich eins der vorbereiteten Fläschchen herausnahm und in die Mikrowelle stellte, schoss mir durch den Kopf, dass ich bereit wäre, Regina alles zu verzeihen, wenn sie nur käme, um ihr Kind wieder abzuholen.
    Martin hatte Kaffee gekocht. Er trug eine Khakihose und einen Pullover, was bei ihm unter Freizeitkleidung fiel. Wie er da so am Fenster stand und langsam seinen Kaffee trank, wirkte er wie aus einem Land’s-End-Katalog. Ich dagegen trug immer

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