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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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großen Windeltasche in der Hand. Ich blieb wie angewurzelt stehen.
    „Ich wollte nur nachsehen, wie viele Windeln der kleine Mann noch hat“, entschuldigte er sich rasch, während er die Tasche sichtlich widerstrebend auf dem Couchtisch ablegte und ein paar Schritte zur Seite trat.
    „Wie viele sind noch da?“
    „Was?“
    „Wie viele Windeln sind noch in der Tasche?“ Irgendwie klang das wie eine dieser bizarren Textaufgaben, mit denen sie uns in der Grundschule gequält hatten: Wenn Suzy zehn Windeln am Tag benötigt, damit die kleine Marge immer schön sauber und trocken ist, und wenn Suzy Tawan drei Windeln leiht und selbst zwei benutzt, wie viele Windeln braucht sie an diesem Tag dann noch?
    „Ich glaube, mindestens sechs“, sagte Rory.
    „Danke. Möchten Sie Haydens Windel wechseln?“, fügte ich hinzu, als er keine Anstalten machte, sich vom Fleck zu rühren. Ich hielt ihm das Baby entgegen.
    „Oh, nein!“ Auf einmal hatte er es sehr eilig, rückwärts aus dem Zimmer zu fliehen. „Nein, ist schon in Ordnung, wenn Sie das machen.“
    Achselzuckend baute ich alle notwendigen Utensilien auf dem Couchtisch auf und breitete eine Zeitung aus, auf die ich das Baby legen konnte. Inzwischen bewerkstelligte ich einen Windelwechsel mit einiger Effizienz. Während ich Hayden zusah, der fröhlich mit Armen und Beinen strampelte, sich leise jammernd beschwerte, als sein feuchtes, nacktes Hinterteil in der kalten Luft schwebte, als er unerwartet zu pinkeln begann und ich hastig ein Papierhandtuch über ihn legte – die ganze Zeit fragte ich mich, was Rory wohl eben getan hatte. Was hatte er mit der Windeltasche vorgehabt? Sobald Hayden versorgt war, sah ich vorsichtig nach rechts, durch den Torbogen, hinter dem unser Eingangsflur lag, und warf auch einen Blick über meine Schulter zu den offenen Türen des Esszimmers. Niemand zu sehen.
    Während Hayden weiterhin Gymnastik trieb, unterzog ich seine Windeltasche einer gründlichen Untersuchung. Sie bestand aus einem Hauptfach und jeder Menge Seitentaschen, manche mit Reißverschluss, andere mit Klettverschluss. Ich fand zwei weitere Schnuller, einen großen Spielzeugschlüsselring aus Plastik, den ich umgehend an Hayden weiterreichte, vier Windeln und ein verblasstes Geschirrhandtuch, das sich Regina wohl über die Schulter gelegt hatte, wenn sie den Kleinen sein Bäuerchen machen ließ. Ich durchwühlte sämtliche kleinen Fächer, bis ich eins fand, das ich fast übersehen hätte, weil es sich direkt neben der Halterung für den Schulterriemen versteckte.
    Die Tasche war winzig. Nachdem ich den Klettverschluss gelöst hatte, gelang es mir lediglich, zwei Finger hineinzuschieben, mit denen ich das Objekt herauszog, das sich darin befand.
    „Oh nein, nein, nein!“ Hastig schob ich meinen Fund in Haydens Decke, die ich dann so schnell wie möglich um ihn wickelte. Ich hob ihn auf und eilte in die Küche, wobei ich allerdings versuchte, mich ganz normal zu benehmen.
    Martin und Rory hatten sich am Tisch niedergelassen, vor sich eine Landkarte des Südostens. In Reichweite lagen weitere Straßenkarten sämtlicher Staaten, die wir auf unserem Weg durchqueren würden.
    Gerade als ich über einen glaubwürdigen Grund nachdachte, Martin allein sprechen zu müssen, klingelte es an der Haustür. Ich wollte das Baby an meinen Mann weiterreichen, erkannte aber in letzter Sekunde, dass das ja nicht ging. Er würde das in Haydens Decke versteckte, kleine Bündel entdecken und womöglich in Gegenwart unseres Besuchers herausziehen. Das kam natürlich nicht in Frage. Also steuerte ich mit dem Baby auf dem Arm durch Küchentür und Flur und öffnete ungeschickt mit einer Hand die Tür.
    Draußen wartete Ellen Lowry mit einem Stapel Decken im Arm.
    „Hallo, Ellen!“ Ich schaffte es nicht, mir meine Überraschung nicht anmerken zu lassen.
    „Es tut mir leid, wenn ich störe, aber ich habe gehört, dass ihr Probleme habt, und dachte, du könntest die hier vielleicht gebrauchen.“ Sie deutete mit dem Kinn auf den Deckenstapel. „Die Decken haben wir benutzt, als die Jungen noch klein waren. Ich glaube, sie sind noch vollkommen in Ordnung. Ich habe sie heute Morgen durch die Waschmaschine und den Trockner gejagt, damit sie ganz frisch sind.“
    „Wie lieb von dir. Bitte, komm doch herein.“ Mühsam versuchte ich, ein bisschen Haltung wiederzugewinnen, während ich beiseitetrat und Ellen ins Wohnzimmer bat, wo der niedrige, rechteckige Couchtisch immer noch mit Haydens

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