Der Narr und der Tod
prüfenden Blicken den Kopf einzog und rot wurde. Ich warf sehnsüchtige Blicke Richtung Telefon, war ich doch wieder mal schwer in Versuchung, den Sheriff anzurufen, damit der kam und diesen Trottel hier mitnahm.
Martin schien meine Gedanken lesen zu können, jedenfalls schüttelte er kaum merklich den Kopf.
„Sie waren nicht im Gefängnis, als Regina das Kind bekam?“, fragte ich.
Rory sah aus, als würde über seinem Kopf eine Glühbirne angehen.
„Nein, Madam. Ich war im Gefängnis.“
„Was ist mit Craig? War der im Gefängnis, als Regina das Baby bekam?“
„Nein, Madam. Craig ist ein paar Tage vor mir rausgekommen.“
„Aber dann saß er wieder im Gefängnis, richtig? Seit wann denn?“
„Wir wurden vor zwei Wochen erneut verhaftet. Ungefähr zwei Wochen, heißt das.“
Langsam verstand ich, warum Polizisten sich danach sehnten, Leute verprügeln zu dürfen, die nicht gestehen wollten. Irgendwo in diesem hübschen, leeren Kopf mir gegenüber befand sich die Wahrheit, befand sich das, was ich wissen wollte und was ich mir am liebsten mit rot glühender Zange geholt hätte. Martin schien es ähnlich zu gehen, was ich an der Art erkannte, wie er die Fäuste ballte. Unter anderen Umständen hätte mein Mann unseren Besucher bereits dazu gebracht, dass er die Wahrheit preisgab, darauf hätte ich einiges Geld verwettet.
„Wir werden später noch weiter darüber reden müssen“, teilte ich den beiden Männern mit.
Denn eins war klar, dazu brauchte man keine ausgebildete Detektivin zu sein, dazu reichten gesunder Menschenverstand und eine gewisse Beobachtungsgabe. Das Geld, das da vor uns auf dem Tisch lag, stammte aus keiner Supermarktkasse. Wenn man einen Supermarkt ausraubte, bekam man alle möglichen Geldscheine, und zwar benutzte und zerknitterte. Geld wie das vor uns auf dem Tisch liegende bekam man bei der Bank: zwei Hundertdollarscheine, der Rest in Zwanzigern. Ein kompaktes, glattes und flaches kleines Bündel.
Kapitel 5
Das Mittagessen fand an diesem Tag in einer sehr angespannten Atmosphäre statt. Ich hatte eine Dose Suppe erwärmt und Käsetoasts in den Ofen geschoben. Beides nahmen wir schweigend am Küchentisch zu uns. Die Stille war so ungemütlich, dass ich mir sogar wünschte, das Telefon würde klingeln. Vielleicht hatte die Autobahnpolizei Reginas Wagen aufgespürt, oder Cindy hatte herausgefunden, mit welcher Kreuzfahrtlinie Reginas Mutter unterwegs war. Martin hatte sie darum gebeten, und Barby hierherzubekommen hätte für mich eine große Erleichterung bedeutet. Auch meine Mutter hätte anrufen können, um mir Einzelheiten zu Johns Prognose mitzuteilen. Es gab so viel, was mir Sorgen bereitete – die Gedanken rasten in meinem Kopf wie ein Hamster im Laufrad.
Ich wollte mich gerade auf das schmutzige Geschirr stürzen, als Hayden sich rührte. Als er dieses Mal erwachte, war er bereit, das Haus zusammenzubrüllen.
Sobald ich die ersten Töne wahrnahm, stellte ich seine Flasche in die Mikrowelle, erst dann verließ ich die Küche, um den Kleinen zu holen. Die Verantwortung für das Baby nahm mich so mit, dass ich glaubte, noch nie in meinem Leben so müde gewesen zu sein. Bei jedem Geräusch, das der Winzling von sich gab, zog sich mein Magen zusammen. Sobald ich hörte, dass er sich warm lief, stürzte ich los, um nach ihm zu sehen – unter anderem auch, um nicht gleich mit zu weinen.
Eine Stunde später hatte ich Hayden neu gewickelt, gefüttert und ihn sein Bäuerchen machen lassen – kurz gesagt: Ich hatte meinen Teil getan. Aber er wollte nicht einschlafen. Meiner Meinung nach musste er sich bis zur nächsten Windel-Füttern-Bäuerchenrunde verabschieden, aber Hayden schien anderer Ansicht zu sein. Weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, saß ich in unserer Bibliothek und starrte ziemlich frustriert auf das Bündel auf meinem Schoß. In der Küche stand das nicht weggeräumte Geschirr wahrscheinlich immer noch auf der Anrichte – eine Vorstellung, die mich auch nicht glücklicher stimmte.
„Hör mal, Kleiner, du musst mir eine Pause gönnen“, flehte ich das runde Gesicht vor mir an. „Meine inneren Reserven sind begrenzt.“ Begrenzt war deutlich untertrieben. Meinem Gefühl nach herrschte in meinem Schrank für innere Reserven gähnende Leere.
Hayden betrachtete mich aus staunend geöffneten Augen. Es schien ihm nichts auszumachen, einer Betreuerin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte. Er wedelte
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