Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
erklärte ich unserem Überraschungsgast. „Zusätzliche Handtücher finden Sie im Schränkchen neben dem Waschbecken“, fuhr ich fort. „Shampoo und Seife müssten eigentlich schon bereitliegen.“
    Rory nahm den nicht gerade diskreten Wink mit dem Zaunpfahl gutgelaunt hin. „Das war lecker“, bedankte er sich bei Martin, während er seinen Teller und die Tasse zum Spülbecken trug.
    Mir war inzwischen noch etwas eingefallen: „Wenn Sie Ihre Kleider draußen vor die Badezimmertür legen, stopfe ich sie schnell in die Waschmaschine.“ Ich erhob mich, um nach oben zu gehen und nach Hayden zu sehen. „Ich lege Ihnen gleich einen Bademantel ins Bad.“
    „Danke, Madam“, sagte Rory mit schüchternem Lächeln.
    Martin starrte den Jungen an, als wäre dieser ein verkleideter Außerirdischer, dem sein Menschenkostüm nicht ganz passte. Ich verließ das Zimmer und machte mich an den Aufstieg nach oben. Zuerst in meinem normalen Tempo, dann deutlich langsamer; die vergangene Nacht forderte inzwischen ihren Tribut, und mir zitterten die Beine und vor allem die Arme, mit denen ich die ganze Zeit das Baby getragen hatte. Mein Körper war einfach nicht in der Verfassung, von jetzt auf gleich Mutterfunktionen zu übernehmen.
    Einen Bademantel für Rory aufzutreiben stellte kein Problem dar, denn wenn die Leute nicht wussten, was sie Martin schenken sollten, schenkten sie ihm Bademäntel. Manche Männer bekamen Handschuhe, anderen Männern schenkte man Schlipse – mein Mann erhielt Bademäntel. Letztes Jahr hatte uns mein Vater, den ich nur noch selten zu Gesicht bekam, dunkelgrüne Frotteebademäntel im Partnerlook geschenkt, in denen wir aussahen wie wandelnder Kunstrasen. Martins Sohn Barrett hatte einen seidenen Morgenmantel mit Paisleymuster geschickt, und von Mutter bekam mein Mann zu Weihnachten einen blauen Flanellbademantel. Im Jahr zuvor hatte ihm seine Schwester Barby den schönsten aller bisherigen Bademäntel zukommen lassen, graue, gekämmte Baumwolle mit Martins Monogramm in Kastanienbraun auf der linken Brust.
    Ich hängte den grünen Frotteemantel ins untere Badezimmer. Rory kam folgsam herbei, und ein paar Minuten später lagen seine Kleider in einem diskreten Häufchen vor der Badezimmertür. Ich schnappte sie mir und trug sie in die Waschküche, um eine Maschine zu starten. Bei uns lag immer etwas im Wäschekorb, auch jetzt fand ich genug, um Rorys magere Bestände ergänzen zu können.
    Martin hatte sich das schnurlose Telefon geholt und tippte Zahlen ein, den Blick fest auf eine Seite seines privaten Adressbuchs gerichtet. Er starrte die Uhr an der Küchenwand an, während er auf der anderen Seite das Klingelzeichen zu hören schien.
    „Hallo?“ Martin klang verunsichert, was bei ihm selten der Fall war. „Ich möchte mit Cindy Bartell sprechen, bitte.“
    Ich begann, Geschirr in die Geschirrspülmaschine zu räumen, damit ich beschäftigt wirkte und es nicht so aussah, als wollte ich die Unterhaltung unbedingt mit anhören. Dabei war natürlich genau das der Fall.
    „Cindy? Hier ist Martin. Geht es dir gut? Barrett hat mir erzählt, dass du jetzt einen Partner ... Ja, er hat mich angerufen. Letzte Woche, bei der Arbeit.“
    Hier rief Barrett nur ungern an. Hier bestand ja die Gefahr, dass ich ans Telefon ging.
    „Dann hast du ja endlich mehr freie Zeit“, fuhr Martin fort. „Das freut mich sehr. Wen hast du denn ...“
    Als Nächstes ging mit seinem Gesicht eine seltsame Wandlung vor.
    „Dennis Stinson?“, sagte er. „Hm.“ Er sah ganz so aus, als würde er sich jede Menge Kommentare verkneifen, woraus ich messerscharf schloss, dass dieser Dennis für Martin kein Unbekannter war. Aber ehrlich gesagt waren Cindys Geschäfte und alles, was damit zusammenhing, momentan nicht meine Hauptsorge.
    Als ich Hayden im Obergeschoss leise wimmern hörte, zuckte ich zusammen und schoss so schnell die Treppe hinauf, dass ich fast wünschte, Martin hätte meine Zeit stoppen können. Oben stand ich neben dem Bettchen und hob meine Hände in einer beschwichtigenden Geste, so als würde diese das Baby wieder zum Schlafen bringen. Meine Hände zitterten. „Ruhig, Baby, ruhig“, flüsterte ich leise und verzweifelt. Haydens Augenlider mit ihren feinen, blauen Äderchen flatterten noch ein weiteres Mal, dann schlief er wieder fest ein.
    Als ich die Treppe hinunterschlich und mich Martin gegenüber auf einen Küchenstuhl fallen ließ, fühlte ich mich, als sei ich eben einer Herde durchgeknallter Büffel

Weitere Kostenlose Bücher