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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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diesen Worten schnappte sie sich ihre Handtasche und floh, ehe ich Gelegenheit gehabt hatte, mich zu verteidigen.
    Ich hob das schlafende, kostbare Bündel vom Tisch, stellte mich ans Fenster und sah zu, wie meine Freundin durch den Garten ging und kurz bei Martin und dem Sheriff stehen blieb. Martin trug zu meiner Beruhigung seine wasserdichte Jacke, denn es war ein bewölkter Tag und der Himmel öffnete von Zeit zu Zeit seine Schleusen, um uns mit einem Regenschauer zu beglücken. Sally kletterte in ihr Auto. Der Sheriff ließ meinen Mann stehen, stützte sich auf Sallys Autodach und unterhielt sich durch das geöffnete Beifahrerfenster mit ihr. Dann winkte Sally ihm zum Abschied und wendete den Wagen.
    Während ich ihr nachsah, knabberte ich an ihren Worten, die mich stark aufgewühlt hatten. Ich fühlte mich sehr verletzt. Als hätte ich beim abendlichen Schließen der Tore nicht gewusst, dass der Tiger schon längst im Dorf war. Roe Teagarden – ein Musterbeispiel für Egozentrik?
    So hatte ich selbst mich nie gesehen. Natürlich wusste ich, dass es mir in vielerlei Hinsicht gut ging und ich oft unheimliches Glück gehabt hatte. Das war mir auch immer bewusst gewesen. Na ja, vielleicht nicht immer, vermutlich nicht vor ein paar Jahren, als mein Freund mich sitzenließ, um die Frau zu heiraten, die er während unserer gemeinsamen Zeit geschwängert hatte. Aber auch da hatte ich noch Glück gehabt, oder? Wir waren immerhin nicht verheiratet gewesen. Vielleicht war das Glück auch nicht ganz auf meiner Seite gewesen, als mein Vater und meine Stiefmutter mit meinem Halbbruder so weit weg zogen, dass ich den Jungen praktisch nicht mehr zu Gesicht bekam. Aber immerhin hatte ich Phillip einmal das Leben gerettet, und ich war auch schon zweimal nach Kalifornien geflogen, um ihn zu besuchen.
    Wie dem auch sein mochte, hier herumzustehen und mein Glück einzuschätzen war ungefähr so sinnvoll wie früher die Bestandsaufnahme der Brautjungfernkleider in meinem alten Gästezimmerschrank, mit der ich mich zu foltern pflegte, ehe ich Martin kennenlernte. Es wurde Zeit, diese quälende Selbstprüfung zu beenden, meine Gedanken zu sortieren und zuzusehen, wie ich mit der gegenwärtigen Situation klarkam.
    Hayden schlief. Seine Lider waren so blass, dass die Adern deutlich sichtbar waren, wodurch seine Haut fast schon durchsichtig wirkte. Ich senkte den Kopf und schnupperte an ihm.
    „Ich habe dich getäuscht.“ Martin war im Torbogen aufgetaucht, der zum Esszimmer führte. Er hatte sich noch nicht rasiert, und seine Haare waren zerzaust. Seine Bartstoppeln waren weiß wie sein Haar, nicht schwarz wie seine Brauen.
    Für weitere tiefgehende emotionale Szenen fehlte mir die rechte Stimmung.
    „Wie meinst du das?“, fragte ich leise, um das Baby nicht zu wecken.
    „Wir hätten über andere Möglichkeiten nachdenken können.“ Martin antwortete mir ebenso leise und ruhig. „Vielleicht hätte man deine ...“, er deutete mit dem Kinn auf meinen Bauch, wo meine missgebildete Gebärmutter saß. „Vielleicht hätte man das Problem chirurgisch beheben können. Wir hätten auch privat adoptieren können, genug Geld haben wir.“
    Ich sah meinen Mann an, als wäre ich gerade erst aufgewacht. „All das sind für dich neue Überlegungen?“
    Ich trug Hayden nach oben und legte ihn in sein Bettchen.
    Als ich wieder nach unten kam, stand Martin noch genauso da, wie ich ihn verlassen hatte. „Ich hätte dir nicht gleich an die Gurgel gehen sollen, nur weil mir eine Sache wichtiger war als dir“, sagte ich.
    Aber meine Worte schienen gar nicht zu ihm durchzudringen, so als wäre er allem gegenüber taub geworden, was nicht in seine geheimnisvollen Planungen passte. „Wir sollten morgen ganz früh losfahren“, sagte er. „Angesichts der Umstände müssen wir wohl fahren. Vielleicht solltest du in der Stadt alles besorgen, was das Baby auf der Reise braucht.“
    Woher sollte ich wissen, was ein Baby auf der Reise brauchte? Ich wollte schon protestieren, überlegte es mir aber noch einmal. Sallys Worte hatten gesessen, sie hatten mich dort getroffen, wo es weh tat, und ließen mich meine spontanen Reaktionen hinterfragen. Ich setzte mich an den Schreibtisch, um eine Liste der Dinge zu erstellen, die ich vielleicht brauchen würde, saß aber nur mit der Hand am Telefonhörer da. Dann rief ich, trotz der nagenden Befürchtung, auch diese Unterhaltung könnte anders verlaufen, als mir lieb war, den einzigen Menschen an, auf den ich

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