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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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war sicher anstrengend.“ Martin hatte den Mantel ausgezogen und das Baby übernommen, damit auch ich ablegen konnte.
    „Viel habe ich ihn in der Zeit nicht gesehen“, gestand Shondra. „Während der Schwangerschaft bin ich oft mit Dylans Abendessen hergekommen, einfach nur, um ihm zuzusehen.“ Das sagte sie mit einem kleinen Lächeln, als habe sie diese Zeit sehr genossen.
    „Wo ist denn die Kleine?“, fragte ich höflich.
    „Kelly? Die hält ihren Mittagsschlaf. Darf ich den kleinen Mann mal halten? Mein Bruder war gerade hier. Danke, dass Sie ihn heimgebracht haben.“
    Martin und ich tauschten fragende Blicke.
    Bei Martin fiel der Groschen zuerst. Er hatte aber auch länger schlafen dürfen. „Rory? Rory ist Ihr Bruder?“
    Shondra sah Hayden an, während sie ihn sanft in den Armen schaukelte. „Ja“, gestand sie wenig begeistert. „Rory ist mein großer Bruder. Er ist ... äh, ein gutmütiger Junge. Dylan und ich beten dafür, dass er die Wege des Herrn erkennt.“
    Ich warf einen Blick auf das Tischchen genau in der Mitte der Küche. Darauf standen zwei Becher, einer mit einem Löffel daneben, auf dem sich ein braunes Fleckchen befand. Der Kaffee war noch nicht mal angetrocknet.
    „Wir haben ihn wohl gerade verpasst?“ Ich streckte die Arme aus, um Hayden wieder zu nehmen. Shondra bekam die Geste mit, starrte aber noch ein paar Sekunden lang in das kleine Gesicht, als sei ihr gerade etwas eingefallen. „Stimmt, Sie haben ihn verpasst“, sagte sie geistesabwesend. „Genauer gesagt ist er zur Hintertür raus, als wir Ihr Auto vorfahren hörten.“ Shondras Blick ging zwischen der Fotosammlung, die sich mit einer Vase Trockenblumen den Platz auf dem eichenfarbenen Fernsehschrank teilte, und Hayden hin und her, ehe sie mir das Kind zurückreichte. „Er ist großartig.“ Ihr kleiner Mund war gedankenvoll verzogen.
    Ein leiser Schrei aus dem hinteren Teil des Hauses ließ sie aufhorchen. „Meine Güte! Kelly ist wach. Ich muss nach ihr sehen.“
    Sobald Shondra das Zimmer verlassen hatte, schlenderte ich unauffällig zur Fernsehtruhe. Die gerahmten Babyfotos dort waren alt genug, um aus Shondras oder Dylans Familienalben zu stammen. Auf einem Gruppenfoto saß ein kleines, vielleicht ein Jahr altes Mädchen neben einem ebenso kleinen Knaben, das Mädchen im Rüschenkleid mit einer Schleife im dünnen Haar, der Junge in einem winzigen Anzug. „Grauenhaft“, brummte ich, aber dann erregte irgendetwas im Gesicht des weiblichen Babys meine Aufmerksamkeit.
    „Aha, aha“, flüsterte ich nachdenklich, ehe ich mich wieder dem Zimmer zuwandte. Gerade noch rechtzeitig, denn Shondra kam zurück, ein Bündel auf dem Arm, das deutlich größer war als Hayden.
    Während wir Shondras Tochter bewunderten, wie es allgemein Sitte war, hegte ich insgeheim eklige Gedanken. Schade, dass dieses junge Paar schon ein Kind hatte, es wäre perfekt für Hayden gewesen. Außerdem auf die eine oder andere Art und Weise mit ihm verwandt. Martin und ich hatten nicht über die Möglichkeit gesprochen, Hayden bei Dylan und Shondra unterzubringen. Nach dem Schock bei den Harbors hätte es mir Angst gemacht, das anzusprechen, bevor ich sie kennengelernt hatte.
    Dylan hatte ich zwar immer noch nicht getroffen, aber bei Shondra erkannte ich so langsam den stahlharten Kern in der süßen Hülle aus mangelnder Weltgewandtheit. Kein Zweifel, diese Frau hätte einen charmanten Tunichtgut wie Rory oder einen echten Gauner wie ihren Schwager nie geheiratet. Shondra war mir sympathisch, aber Dylan mussten wir zunächst einmal zu Gesicht bekommen, und dann war ja noch lange nicht klar, ob die beiden eine so schwierige Aufgabe, wie sie die Versorgung eines zweiten Babys zweifellos darstellte, überhaupt zu übernehmen bereit waren.
    Martin tauschte einen Blick mit mir. Er schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn nun erkundigte er sich bei Shondra nach Dylans Job bei der örtlichen John Deere-Vertretung. Er würde mir hinterher genau sagen können, was Dylan verdiente und wie seine Arbeitszeiten waren. Außerdem entlockte er Shondra mehr Informationen über Rory, als ich je für möglich gehalten hätte.
    „Shondra, entschuldigen Sie, aber ich hätte da auch noch eine Frage“, mischte ich mich in die Unterhaltung der beiden, als Martin erste Anzeichen des Aufbruchs erkennen ließ und Shondra uns zum dritten Mal fragte, ob sie uns wirklich nichts anbieten konnte. „Haben Sie gewusst, dass Regina schwanger war?“
    Überraschenderweise

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