Der Narr und der Tod
und ruhig. „Aber ich habe gesagt: Nein, Martin, das wäre dem armen Barrett gegenüber nicht fair. Ich weiß, er besucht uns nie, und das macht einen ganz schlechten Eindruck, wo du ihm doch jahrelang Geld geschickt hast. Es ist bestimmt auch nicht höflich von ihm, mir nie die Hand zu geben oder mich gar einmal zu umarmen. Aber wenn wir jetzt ein Kind hätten, wie schlecht würde sich Barrett da fühlen? Als wollten wir ihn ersetzen.“ An dieser Stelle machte ich Schluss, schließlich musste ich befürchten, die Grenzen der Parodie schon überschritten zu haben.
Cindys Gesicht nahm eine ungleichmäßige Rotfärbung an.
Martin musterte mich mit einer Mischung aus Bestürzung und Faszination. Hoffentlich war er klug genug, jetzt den Mund zu halten.
„Wo wohnt ihr, solange ihr in Corinth seid?“, fragte Cindy hastig.
„Auf dem alten Hof.“ Martin schaffte es nicht, den Blick von mir zu wenden, aber er schien klug genug zu sein, denn er hielt den Mund. „Wir waren im Holiday Inn, aber mit dem Baby ... ich denke, wir sind da draußen besser aufgehoben.“
„Es war nett von dir, Craig und Regina dort wohnen zu lassen“, meinte Dennis, während ich mich aufmerksam mit dem Baby befasste und befürchtete, noch immer von Cindy angestarrt zu werden.
„Ja“, sagte Martin, was er sich auch hätte sparen können. „Wir sollten uns langsam auf den Weg machen. Ihr wisst nicht zufällig, wo Craigs Bruder wohnt?“
„Komm kurz mit vor die Tür, da kann ich dir den Weg besser zeigen“, sagte Dennis, woraufhin die beiden Männer verdächtig schnell nach draußen verschwanden. Während Dennis die Straße hinunter deutete und Ampeln zu zählen schien, warfen Cindy und ich einander schnelle Blicke zu.
„Barrett hat euch kein einziges Mal besucht?“, fragte Martins Ex schließlich.
„Nein. Er nimmt mich nicht zur Kenntnis.“ Ich war stolz darauf, wie ruhig und gelassen ich klang. „Ich verstehe ja, dass er dir gegenüber loyal sein will, das erwartet man natürlich von einem Sohn. Aber Martin fühlt sich schlecht, weil Barrett ihn nie besucht und nur selten anruft.“
Barretts Mutter seufzte. „Barrett hat unsere Trennung nie als einvernehmlich gesehen, er glaubte immer, Martin hätte uns verlassen. Dabei war er damals schon auf der Highschool und hätte es kapieren können. Martin brauchte Abstand von mir, aber umgekehrt war es genauso.“
Ich versuchte, interessiert und mitfühlend auszusehen, was ich bis zu einem gewissen Grad auch war. Gleichzeitig drohten mir die Arme abzufallen, weil ich schon so lange stand und Hayden hielt. Ich stützte ihn vorsichtig an der Glasplatte des Tresens ab.
„Kurz vor und nach ihrer Trauung kam Regina oft vorbei, um mit mir zu reden“, fuhr Cindy mit leiser Stimme fort, während ich durch das Fenster beobachtete, wie Martin und Dennis nach dem Himmel sahen, prüfend gegen sämtliche Autoreifen traten und alles Mögliche unternahmen, was Jungs so zu tun pflegten, wenn ihre Frauen gerade dafür gesorgt hatten, dass peinliche Stimmung aufzog. „Aurora, mit dem Mädchen stimmt etwas nicht, sie nimmt es mit der Moral nicht allzu genau. Craigs Konflikte mit dem Gesetz schienen ihr nichts auszumachen, und dass dieser Rory immer und überall mit dabei war – und damit meine ich wirklich überall –, schien sie auch nicht weiter zu stören.“
Hayden fiel der Schnuller aus dem Mund. Er hatte kaum zu schwachen Protesten ansetzen können, als Cindy ihn auch schon im Fallen gefangen und wieder in den kleinen Mund gestopft hatte. Sofort fiel Hayden wieder in Halbschlaf.
„Wie meinst du das?“, fragte ich vorsichtig. „Ach ja: gut gefangen!“
„Danke. Was ich damit meine? Regina hat mir gegenüber nie ein moralisches Urteil über die Probleme abgegeben, in denen Craig mit Rory dauernd steckte. Ich habe sie nie sagen hören: ‚Oh, Gott, mein Mann hat etwas Schlimmes getan, er hat ungedeckte Schecks unterschrieben! ‘ Oder: ‚Hilfe, mein Mann nimmt harte Drogen! ‘ Sie hat auch nie versucht, ihn zu verteidigen, anderen die Schuld für seine Fehltritte in die Schuhe zu schieben oder es so darzustellen, als sei Craig nur der Sündenbock und im Grunde unschuldig. Es war immer so, als seien all diese Fehltritte witzig, als sei alles ein großer Spaß. Nach dem Motto: ‚Ach herrje, jetzt haben sie Craig erwischt ‘ .“
Bisher hatte ich Regina immer nur für geistig unterbelichtet gehalten – laut Cindy war sie auch noch moralisch unterbelichtet.
„Danke für die
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