Der Narr und der Tod
erreichten, wurde mir klar, wie gründlich Martin sein Elternhaus hatte renovieren lassen. Es war neu verkleidet und gestrichen, und die Scheune gleich nebenan war abgerissen worden und verschandelte nicht länger die Landschaft. Der Kies auf der Auffahrt war auch neu, und wir konnten den Mercedes in einem seitlich ans Haus angebauten Carport unterstellen. Der bestand zwar nur aus einem Dach auf vier Pfosten, würde aber den schlimmsten Regen und Schnee abhalten.
Soweit ich mich entsann, gab es im Erdgeschoss drei Türen: die Haustür mit einem kleinen Blechdach darüber, die Küchentür und eine Hintertür, durch die man auf eine überdachte Veranda gelangte, die zugleich als Waschküche fungierte und inzwischen sogar Glaswände besaß. Die Hausschlüssel hingen an Martins Schlüsselring – wieder eine seiner Überraschungen. Ich fand es aufschlussreich und seltsam zugleich, dass er die Schlüssel zu diesem alten Bauernhaus immer bei sich zu tragen schien.
„Gibt es ein Telefon?“, wollte ich wissen.
„Ich weiß nicht. Ich hätte Karl anrufen sollen, der weiß so etwas. Aber ich habe ja das Mobiltelefon.“
Ich wartete mit dem dick in Decken eingepackten Hayden im Arm am Fuß der kleinen Treppe, die zum Kücheneingang führte, während Martin mit den Schlüsseln hantierte. Endlich gab die Tür nach, und wir konnten das Haus betreten.
„Wann warst du das letzte Mal hier?“, fragte ich vorsichtig, während ich mich in der Küche umsah. Diese war sorgfältig gesäubert und neu gestrichen worden, die Schränke abgebeizt und mit neuen Arbeitsflächen versehen. Das Deckenlicht brannte, und auf dem Küchentisch stand ein halb abgegessener Teller, daneben ein halbvolles Glas mit Cola oder einem anderen, colafarbigen Getränk.
„Eigentlich nicht mehr, seit die Renovierungsarbeiten abgeschlossen waren. Ich bin mal zwischendurch hergekommen, als ich geschäftlich in Pittsburgh zu tun hatte, und natürlich bin ich anfangs mit dem Reinigungstrupp und dem Bauunternehmer hier herausgefahren, um die Arbeiten zu besprechen. Aber die Bauaufsicht hatte Karl. Seitdem war ich nicht mehr hier, ich glaube, das ist anderthalb Jahre her. Als Regina Craig heiratete, habe ich ihr gesagt, dass das Haus leersteht und sie es gern nutzen könnten, wenn sie noch eine Weile in Corinth bleiben wollten. Barby hatte angedeutet, es gehe den beiden finanziell nicht so gut.“
Ich ging langsam durch die unteren Räume. Dieses Haus schien noch älter zu sein als unser Heim in Georgia.
Die alten Jalousien hatte man entfernt. Regina hatte sie nicht ersetzt und auch keine Vorhänge aufgehängt, deshalb sandte der graue Himmel von draußen ungehindert Düsternis in die Zimmer. Martin trug unsere Sachen ins Haus, während ich Hayden umhertrug.
Obwohl ich das Haus nur flüchtig kannte, glaubte ich, mich an kleinere Räume, dafür aber höhere Decken zu erinnern. Martins Elternhaus war zweistöckig und hatte oben und unten je drei Zimmer und ein relativ geräumiges Bad. Die Bäder waren eindeutig nachträglich eingebaut worden und früher entweder kleine Zimmer oder große Wandschränke gewesen. Neben der Küche gab es eine gut erhaltene, große Speisekammer; Waschmaschine und Trockner hatte man auf die überdachte Glasveranda gestellt. Einst wurde diese Veranda sicherlich als Eingangsbereich genutzt, und man hatte dort nasse Regensachen sowie dreckige Arbeitsschuhe aufbewahrt.
Falls vor der Renovierung noch etwas von Joseph Flocken in diesem Haus gewesen sein sollte, so hatte Martin es wegschaffen lassen.
Die karierte Couch im Wohnzimmer stammte unter Garantie von jemandes Speicher, ebenso der dazu passende Sessel. Ich tippte mal auf Barby. Das Bett mit den beiden passenden Nachttischchen und der Kommode hatte Barby dem jungen Paar zur Hochzeit geschenkt. Ich öffnete den Kleiderschrank. Viel befand sich nicht darin. Das meiste waren Jeans und Flanellhemden in Reginas und in Craigs Größe.
Wo Regina wohl war? Der Anblick der Kleidungsstücke ließ mich schaudern.
Trotzdem schob ich sie beiseite, um Platz für unseren Hängekoffer zu schaffen. Einhändig – ich trug immer noch Hayden – zog ich die Betttücher ab und warf sie die Treppe hinunter, um sie später einzusammeln und zu waschen.
Unten hörte ich Martin arbeiten, die Götter mochten wissen, was er trieb. Ich dachte daran, ihn zu rufen, sah mir dann aber doch zuerst das zweite Schlafzimmer am anderen Ende des kleinen oberen Flurs an.
Dort lag ein Schlafsack neben einem Haufen
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