Der Narr und der Tod
Kleidung. Weitere Jeans und Flanellhemden, dazu T-Shirts, Socken und Unterwäsche. Ein paar schwere Stiefel. Zwischen diesem Schlafzimmer und dem nächsten, dem dritten oben, war eine Verbindungstür.
„Oh“, flüsterte ich. „Wem gehören denn die Sachen hier, Hayden?“ Hayden antwortete mit seinem Lieblingslaut, einem leisen „Eh!“, wobei er mit den Händen winkte. Plötzlich stand Martin neben mir, aber da ich sein lautloses Auftauchen gewohnt war, erschrak ich nicht allzu sehr. Unter dem Arm hatte er eine Schachtel.
„Ich wette, hier hat Rory geschlafen“, sagte er, und wir wechselten einen Blick. Hughs Bemerkung, er habe nicht gewusst, ob Regina nun Rory oder Craig heiraten würde, war uns noch allzu gut im Gedächtnis. Auch Cindy hatte mir bei unserem Gespräch unter vier Augen ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass Rory und Craig einfach alles zusammen getan hatten, doch das wollte ich Martin noch nicht erzählen. Warum gleich alle Leckerbissen mit ihm teilen?
„Viel hätte es wahrscheinlich nicht gebracht, aber wir hätten ihn stärker löchern sollen, als wir ihn noch im Wagen hatten“, sagte ich, um mir gleich darauf auf die Lippen zu beißen. Wenn ich so weitermachte, konnte ich mir die neue Brille gleich abschminken.
„Ja“, seufzte Martin. „Hätten wir. Wenn Dylan ihn heute Nachmittag nicht mitbringt, suche ich ihn morgen.“
Im nächsten Zimmer, von dem man einerseits auf den Flur, andererseits ins Schlafzimmer mit dem Schlafsack gelangen konnte, fanden wir ein ramponiertes, altes Kinderbett, das sicherlich vom Flohmarkt oder der Heilsarmee stammte. Daneben stand ein mindestens ebenso ausgedienter Schaukelstuhl. Nichts von der Ausstaffierung, die ich aus den Kinderzimmern meiner Freundinnen kannte, kein Polster im Bettchen, kein Mobile, kein Wickeltisch, keine Windelstapel. Nur eine unansehnliche, abgestoßene Plastikmülltonne, in der noch ein paar zusammengerollte verschmutzte Windeln lagen. Im Kinderbett befand sich ein unordentlich zusammengefaltetes Laken für ein Erwachsenenbett, das man so unter die kleine Matratze geschoben hatte, dass es halbwegs passte.
„Sie wollte das Baby nicht hierbehalten.“ Ich blickte Martin an, der Mühe hatte, meinem Blick standzuhalten.
„Nirgendwo Geschenke!“, fuhr ich grimmig fort. „Man kriegt immer Geschenke, wenn man ein Baby erwartet. Selbst Leuten, die am Rande der Armutsgrenze leben, überreicht man Geschenke, wenn sie Nachwuchs bekommen – vielleicht ein Laken für das Bettchen oder eine Decke aus dem Billigladen, aber sie bekommen ein Geschenk. Das hier ist nichts. Sie wollte das Baby nicht behalten. Ich wette, sie war nie wirklich schwanger.“
„Was ist mit den Sachen, die sie in unser Haus mitbrachte?“
„Die Windeltasche und das Reisebett?“ Ich holte tief Luft. „Die waren neu, die Preisschilder hingen noch daran. Ich glaube, sie hielt auf dem Weg zu uns beim ersten Discounter an und kaufte die Sachen auf Kreditkarte oder unterschrieb einen ungedeckten Scheck dafür. Oder aber sie nahm sie gleich mit, als sie das Kind geklaut hat. Wem auch immer sie es weggenommen haben mag.“
Martin zuckte zusammen.
„Wir müssen darüber reden, Martin. Niemand wusste, dass sie in anderen Umständen war. Sie ging nicht in die Klinik. Rory sagte nur, Craig habe sie zur Hebamme gefahren. Ist dir aufgefallen, wie ungern uns Shondra den Namen der Hebamme nannte? Ich wette, wenn wir diese Bobbye Sunday fragen, sagt sie uns, Regina war nie ihre Patientin. Woher wissen wir, dass Hayden überhaupt Reginas Kind ist? Was, wenn ... nun, wenn das Geld in der Windeltasche Lösegeld ist?“
„Rory wusste, was Hayden bei seiner Geburt wog“, entgegnete Martin. „Weißt du noch? Im Restaurant, als die Kellnerin danach fragte?“
Ich nickte. „Ich weiß aber auch, dass Rory ein Lügner ist.“ Hayden hob den Kopf von meiner Schulter und guckte erstaunt ins Zimmer. Ich wandte ihm den Kopf zu und küsste seine Wange. Sein Gesicht drehte sich in meine Richtung. Er knallte mit dem Kopf gegen meine Schulter und hob ihn erneut, um mich anzusehen. Wir rieben unsere Nasen aneinander. Seine Augenlider flatterten, und er legte das Köpfchen wieder auf meine Schulter.
„Ich weiß nicht, wer dieses Baby geboren hat“, sagte Martin, während er mit den Fingern durch Haydens flaumiges Haar fuhr. „Aber ich glaube, Rory war dabei.“
„Also müssen wir uns mit Bobbye Sunday unterhalten. Außerdem müssen wir herausfinden, ob Dylan mehr weiß
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