Der Narr und der Tod
War das nicht dasselbe, wie jemanden zu vergiften? Giftmischer galten allgemein als geduldige, hinterhältige Menschen, meinte ich mich zu erinnern. Einen Baseballschläger nehmen und voller Wut damit zuschlagen konnte jeder – naja, vielleicht nicht jeder, aber doch viele Leute. Bestimmt war die Anzahl potentieller Giftmischer in der Bevölkerung wesentlich geringer.
„Woran denkst du?“ Ich zuckte zusammen, und die Hühnerbrust fiel ins heiße Öl und spritzte mich voll. Martin entschuldigte sich eilig. Ich kühlte mir erst mal die Hand unter kaltem Wasser, ehe ich ihm antwortete: „Ich dachte gerade an Darius.“
„Du hast den Kopf geschüttelt, die Brauen hochgezogen und sahst irgendwie perplex aus.“
Reflexartig schüttelte ich auch dieses Mal den Kopf, wobei ich mir allerdings ein wenig blöd vorkam. Ich mochte Martin nicht an meiner Überlegung teilhaben lassen. Als es an der Tür klopfte, erschrak ich erneut. Martin öffnete und kam wenig später in Begleitung eines jungen Mannes in die Küche zurück, in dem ich mühelos Craigs Bruder erkannte.
Ich wischte die Hände an einem Küchenhandtuch ab, schüttelte Dylan die Hand und sprach ihm mein Beileid zu Craigs Tod aus.
Dylan, der ein grünes John-Deere-Hemd und eine Khakihose trug, war ebenso dunkel, wie Craig gewesen war, aber lange nicht so klapperdürr. Im Gegenteil, er war kräftig, fast schon schwerfällig, und solide, wie ein Mann, der den Weg von Punkt A nach Punkt B klar vor sich sah und nie auf die Idee kam, von der direkten Route abzuweichen.
„Ich würde das Baby gern sehen“, sagte er und schien überrascht, als Martin anbot, ihn nach oben ins improvisierte Kinderzimmer zu führen.
Als die beiden zurückkamen, wirkte Dylan so nachdenklich, als hätte er ein Puzzle vor sich.
Auf unsere Bitte hin setzte er sich an den alten Küchentisch. Er legte die gefalteten Hände auf die Tischplatte.
„Ich habe Rory nicht gefunden, sonst hätte ich ihn mitgebracht. Shondra sagte, Sie wollten mit ihm sprechen?“
Da er sich in erster Linie an Martin wandte, nickte der, und ich beschäftigte mich weiter in der Küche; ich nahm an, so würde sich der junge Mann vielleicht eher entspannen können. Daher öffnete ich also eine Dose grüne Bohnen, leerte sie in einen schmucken Kochtopf, wusch Reis und stellte ihn zum Kochen in die Mikrowelle (die hübsche Corningware-Kasserolle war am Rand beschädigt, die Mikrowelle klein und veraltet).
„Mein Bruder ...“ Weiter kam Dylan erst mal nicht, es schien ihm schwerzufallen, sich über seinen Bruder zu äußern. Martin und ich warteten geduldig, ohne ihn anzusehen. „Mein Bruder war nicht immer ein guter Mann“, sagte er schließlich.
Martin hob die Brauen; wer war schon immer gut? Ich gab Anteil nehmende Geräusche von mir. Beides schien Dylan zu ermutigen.
„Craig hat – hatte es gern einfach. Aber verheiratet zu sein und den Lebensunterhalt für die Familie verdienen zu müssen – erwachsen zu sein – ist nicht immer leicht.“
Ich nickte beipflichtend.
„Wenn Craig mit dem armen Baby da oben irgendwie Geld hätte verdienen wollen, dann wäre ich der Letzte gewesen, mit dem er das besprochen hätte. Ich weiß also nichts Genaues, aber ich habe das Gefühl, dass er irgendetwas mit dem Kind vorhatte. Wenn dem so war, dann weiß Rory von diesen Plänen. Ich rede ungern schlecht über den Bruder meiner Frau – sie redet auch ungern schlecht über Craig –, aber Rory und Craig glichen einander wie ein Ei dem anderen und hatten einander verdient. So wie Shondra und ich einander verdienen ... hoffe ich wenigstens. Sie hatten Rory den ganzen Weg hierher im Wagen, eine bessere Chance, etwas aus ihm herauszubekommen, kriegen Sie so schnell nicht wieder. Ich will gar nicht so tun, als könnte ich verstehen, warum Sie ihn laufen ließen, da will ich ganz ehrlich sein. Warum haben Sie ihn nicht bei der Polizei abgegeben?“
Eine gute Frage. Ich hob die Brauen und musterte meinen Mann aufmerksam.
„Als ich mich dagegen entschied ...“, Martin dachte beim Reden laut nach, „... nahm ich an, es würde die Dinge für Regina einfacher machen, wenn ich den Jungen hierherbringe und nicht der Polizei ausliefere. Ich glaube – nein, ich bin sicher –, dass ich dachte, Regina hätte Craig getötet. Ich wollte nicht, dass sie in Haft kommt, wollte nicht miterleben müssen, wie man ihr den Prozess macht. Im Wesentlichen, weil ich nicht verstehe, warum und wie sie es tat. Regina ist das Wichtigste im
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