Der Narr und der Tod
als seine Gattin.“ Ich trat sanft von einem Fuß auf den anderen, um Hayden beim Einschlafen zu helfen. Das Leintuch im Kinderbett schien meinem kritischen Blick schmutzig, deshalb bat ich Martin flüsternd, eine von Haydens Babydeckchen drüberzulegen. Als das passiert war, legte ich den Kleinen im Bett auf die Seite, stopfte ihm ein festes Kissen in den Rücken und deckte ihn mit einer von Ellens Decken zu.
Martin war noch immer im Raum. Er hockte in einer Ecke am Boden. Ich ging hinüber, um zu sehen, was er tat.
Mein Mann steckte ein brandneues Babyphon in die Steckdose an der Fußleiste. Das also war in der Schachtel gewesen, die er unterm Arm getragen hatte. Er wickelte die Schnur vom Übertragungsgerät und rückte es nahe ans Kinderbettchen. Wortlos gab er mir das Empfangsgerät, in das er bereits Batterien gelegt hatte. Ich blickte ihn an. Wahrscheinlich hatte er das Babyphon im K-Markt erworben, und seine Miene verriet mir deutlich, dass ich den Kauf lieber nicht hinterfragen sollte.
Wir verließen das Zimmer auf Zehenspitzen, schlossen die Tür aber nicht völlig hinter uns. Im Haus war es bei unserem Eintreffen kalt gewesen. Höchstwahrscheinlich hatten Craig und Regina nie richtig durchgeheizt, weil sie die Gasrechnung selbst bezahlen mussten, oder Martins Freund Karl hatte die Heizung abgedreht, aber Martin hatte den Thermostat gleich als Erstes wieder hochgedreht. Mittlerweile stand mein Mann im beinahe leeren Wohnzimmer und sah sich um. Die Wände waren schneeweiß gestrichen, der Holzfußboden blinkte. Ich wusste, ihn überkamen Erinnerungen. Während ich ihn beobachtete, sah ich die Jahre von ihm abfallen und Dinge hervortreten, die ich an Martin nicht kannte. Er wirkte unsicher, bedrückt, zweifelnd.
Mit drei Schritten war ich bei ihm und legte die Arme um ihn. Wäre ich größer gewesen, hätte er den Kopf an meiner Brust bergen und sich sicher fühlen können, und sei es auch nur für einen Moment. Wie furchtbar, ein Mann zu sein, dachte ich. Zum ersten Mal, seit ich Martin kannte, tat er mir leid.
Da Hayden schlief, konnten wir uns im Haus umsehen. Ich öffnete Schränke und Schubladen, nicht ohne mir dabei wie eine schlimme Schnüfflerin vorzukommen. Immerhin hatte Regina all diese Schränke eingeräumt, ihr eigenes System etabliert. Aber was hätte ich sonst tun sollen? Wir würden ein paar Tage hier sein, da schien es folgerichtig, alles Vorhandene auch zu benutzen. Immerhin war es Martins Haus, und Reginas Kind war bei uns. Na ja, ein Kind war bei uns – vielleicht war es Reginas.
Die Besitztümer ließen sich, wie wohl bei den meisten Jungverheirateten, in zwei Kategorien einteilen: Sachen, die Freunde und Verwandte ihnen überlassen hatten, weil sie sie selbst nicht mehr brauchten, und funkelnagelneue Gegenstände, die sie zur Hochzeit bekommen hatten. In die erste Kategorie fielen Couch und Sessel im Wohnzimmer sowie ein paar ziemlich zerbeulte Töpfe und Pfannen. Die gedruckten Danksagungen für die Hochzeitsgeschenke lagen noch unter dem Adressbuch in der Küchenschublade, die auch das Telefonbuch sowie eine Liste mit Notrufnummern enthielt.
Während Martin umherging, sich ansah, wie die Renovierung durchgeführt war, und wahrscheinlich allen möglichen Erinnerungen nachhing, ortete ich Küchenutensilien, die ich vielleicht brauchen konnte, machte mich mit dem Herd vertraut und begann mit der Vorbereitung des Mittagessens. Corinth hatte an Restaurants nicht viel zu bieten, und mir war auch nicht danach, schon wieder mit Hayden einen öffentlichen Ort zu besuchen. Außerdem kochte ich gern, vor allem, wenn ich die Küche für mich allein hatte. Ich plante eine große Mahlzeit, da wir nicht gefrühstückt hatten, und als Martin mich Hühnchen vom Knochen lösen sah, zog er Mantel und Schal an, um nach draußen zu gehen. Als er wiederkam, verkündete er erfreut, es sei ein Stapel ziemlich trocken aussehendes Feuerholz da, falls wir welches bräuchten.
Als Martin das Holz erwähnte, musste ich an Quattermain denken. Wie es ihm wohl ging? Würde er je wieder in Betracht ziehen, uns Holz zu liefern? Vielleicht hatte ihm niemand erzählt, dass er sich vor meinen Augen ausgezogen hatte, aber es war gut möglich, dass er sich daran selbst erinnerte. Ich wusste nicht, welche Droge er eingenommen hatte und was die Spätfolgen sein konnten. Während ich wartete, dass das Öl in der elektrischen Pfanne heiß wurde, fragte ich mich, was für ein Mensch andere Leute unter Drogen setzte.
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