Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
Dave sprechen musste, der für die Warenannahme zuständig war. Kaum hatte er die entsprechende Nummer eingetippt, da setzte er auch schon seine offizielle Geschäftsführermiene auf. Ich ließ ihn allein, um mir eine weitere Tasse Kaffee zu gönnen.
    Plötzlich hörte ich draußen vor der Tür ein Motorengeräusch und sah einen leuchtend karminroten Jeep vor dem Fenster, der sich durch den Schnee kämpfte – ich konnte nur annehmen, dass er sich auf der Auffahrt befand.
    Dem Geländewagen entstieg ein Mann und stapfte auf die Haustür zu.
    Karl Bagosian war etwa so groß wie Martin, also vielleicht einen Meter achtzig oder fünfundachtzig, und trug keine Mütze, weshalb ich sein dichtes, dunkles Haar bewundern konnte, das, obwohl es an einigen Stellen bereits ergraute, mit seiner olivfarbenen Haut eine höchst attraktive Kombination ergab. Da Martin noch telefonierte, schloss ich die Tür auf.
    „Hallo“, sagte Karl. Er musterte mich kurz und gründlich und widmete sich dann wieder seinen Stiefeln, von denen er sorgfältig sämtlichen Schnee abklopfte. Als er damit zufrieden war, zog er die Stiefel aus, ließ sie neben der Tür stehen und stapfte ohne weitere Umstände auf Strümpfen ins Wohnzimmer. Das schien hier im Schneeland zum Protokoll zu gehören.
    „Ich bin Aurora. Danke, dass Sie uns so schnell den Jeep gebracht haben. Martin sagt, er kennt Sie schon eine Ewigkeit?“
    „Das kann man wohl sagen.“ Karl hatte sich aus einer Menge Oberbekleidung geschält und schaffte es endlich, mir in die Augen zu sehen.
    Er hatte die schönsten Augen, die mir bei einem Mann je begegnet waren – oder bei überhaupt einem Menschen. Groß, oval, sehr dunkel und mit Wimpern, von denen die meisten Frauen nur träumen durften; Augen, die, wenn sie lange genug zu einem Menschen sprechen konnten, diesen dazu brachten, sich die Klamotten vom Leibe zu reißen und in Karl Bagosians Bett zu steigen.
    „Ich fühle mich wie ein weiblicher Pfau“, verkündete ich etwas ungehalten. „Möchten Sie einen Kaffee?“
    Karl zögerte verblüfft. „Ja, bitte“, sagte er schließlich, um dann voraus in die Küche zu gehen. Er war sicher bereits unzählige Male hier gewesen, zweifellos schon vor meiner Geburt. Seine Zähne schimmerten weiß wie die eines Schauspielers, nur seine Taille war im Laufe der Jahre ein wenig kräftiger geworden. Er setzte sich an den Küchentisch und musterte mich, während ich ihm einen Becher Kaffee eingoss und Milch und Zucker in seine Reichweite schob.
    „Wenn Sie noch nicht gefrühstückt haben, mache ich Ihnen gern Toast“, bot ich an. „Martin telefoniert noch, wird aber jeden Augenblick hier sein.“
    „Sie wollen mir Frühstück machen? Das ist wohl die weltbekannte Südstaatengastfreundschaft, von der man so viel hört.“
    „Einfach nur Gastlichkeit. Wie sollte ich Sie denn sonst behandeln?“
    Auf diese Frage hatte er keine Antwort parat. „Die Sache mit Regina ist ein schönes Desaster, was?“, sagte er, während er mich mit diesen wunderschönen Augen ansah und sich gleichzeitig großzügige Mengen Zucker in den Kaffee löffelte und mindestens ebenso großzügig Milch dazu kippte. Das Zeug in seinem Becher sah hinterher kaum noch nach Kaffee aus.
    Ich lehnte mich an den Küchentresen. „Kannten Sie Craig?“
    „Ja. Er hat mir einen Wagen vom Ausstellungsgelände gestohlen.“
    „Was haben Sie da gemacht?“
    „Ich bin ihm nach und habe ihn mir zurückgeholt.“ Die großen, dunklen Augen sahen plötzlich nicht mehr so sagenhaft schön aus. Wenn man es genau nahm, wirkten sie geradezu furchterregend. Ich war froh, dass ich nicht anwesend gewesen war, als Karl sich sein Auto zurückholte.
    „Mr. Bürgerwehr persönlich!“, meldete sich Martin von der Tür her. Er hatte bei diesen Worten wohl schmunzeln wollen, aber irgendwie fiel dieses Schmunzeln ziemlich dürftig aus. Offenbar hatte er die ganze Unterhaltung gehört.
    Karl erhob sich, um Martin die Hand zu schütteln, ihm auf die Schulter zu klopfen und sich auf die Schulter klopfen zu lassen – kurzum, die beiden begrüßten sich mit allen Anzeichen tiefster männlicher Gunst.
    „Der kleine Scheißkerl – entschuldigen Sie, Aurora! – kann von Glück sagen, dass ich ihm nicht seinen Wagen zerlegt habe.“ In Karls Gesicht blitzten die Zähne weiß und perfekt. „Ich hielt mich nur zurück, weil er Reginas Mann war.“
    „Dann war das nach der Heirat der beiden?“, fragte Martin.
    „Ja, erst letzte Woche, kurz bevor er tot

Weitere Kostenlose Bücher