Der Narr und der Tod
an der Hintertreppe den Schnee von den Schuhen, wie Martin es getan hatte. Meine Schuhe stellte ich anschließend auf dem kleinen Läufer gleich hinter der Tür ab, dort, wo Martins Stiefel früher am Tag getrocknet waren. Auf dem Tresen in der Nähe des Küchentischs lag noch das aufgeschlagene Telefonbuch von Corinth, in dem Martin am Morgen die Nummer des Geschäftes seines Freundes Karl gesucht hatte. Wie gut, dass Craig und Regina einen Festnetzanschluss hatten.
Der Mann, der in Karls Autohaus ans Telefon ging, erklärte sich bereit nachzusehen, ob sein Chef und mein Mann es schon bis in die Stadt geschafft hatten.
„Ja?“, meldete sich Martin, nachdem ich eine Weile hatte warten müssen. Er hatte seinen Geschäftston angeschlagen.
„Martin, jemand war heute Nacht draußen vorm Haus“, erzählte ich ihm.
Seine Reaktion zeigte mir wieder einmal, warum ich ihn so liebte. Er fragte nicht, ob ich ganz sicher sei, er unterstellte mir keine kindischen Ängste. Er fragte nur: „Woran hast du das gemerkt?“
Nachdem ich die Fußspuren und meine daraus gezogenen Schlüsse beschrieben hatte, entstand eine beträchtliche Pause.
„Heute Morgen was es noch zu dunkel, sonst hätte ich die Spuren selbst bemerkt“, sagte er schließlich. „Hast du die Haustür abgeschlossen?“
„Ja.“
„Hayden schläft?“
„Ja.“
„Dann geh nach oben und nimm die Pistole aus meinem Koffer.“
„Alles klar.“ Himmel, wie ich Knarren hasste! Aber meine Angst war so groß, dass ich nicht widersprach.
„Sie ist geladen. Weißt du noch, wie man sie entsichert und schießt?“
„Ja.“
„Wenn die Spuren schon verwischt sind, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Von wem sie auch stammen, der Betreffende ist längst verschwunden. Aber es wäre gut, wenn du die Pistole zur Hand hast, nur für den Fall der Fälle. Würdest du dich dann besser fühlen?“
„Ich denke schon.“
„Gut. Danach rufst du die Frau an, die gestern zu Besuch war, diese Margaret Soundso. Frag, ob sie kommen und dableiben kann. Ich muss hier noch ein paar Sachen erledigen, dann komme ich.“
„Alles klar.“ Was hatte Martin in der Stadt zu erledigen? War ihm eingefallen, wie sich unsere Sicherheit hier draußen verbessern ließ? Was wir hier draußen brauchten, fand ich, war ein riesiger, böse aussehender Hund, der laut kläffte.
Wir wechselten noch ein paar Worte, dann legten wir auf, und ich eilte nach oben, um in Martins Koffer nach seiner Automatik zu suchen. Ich hasste es, das Ding auch nur zu berühren, aber stärker als mein Widerwille war mein Bedürfnis, mich und Hayden in diesem einsamen Bauernhaus im ländlichen Ohio zu schützen.
Kapitel 8
Eine halbe Stunde später ging es mir schon besser. Martins Ruger lag in einer ansonsten leeren Küchenschublade, wo ich sie im Ernstfall zur Hand hatte, ohne sie offen herumliegen lassen zu müssen, und Margaret Granberry, die gern bereit gewesen war zu kommen, trank am Küchentisch eine Tasse Kaffee. Sie hielt Hayden auf den Armen, der natürlich erwacht war, als ich Margaret begrüßte.
Jetzt wurde es Zeit für sein Fläschchen, und ich wollte ihn Margaret abnehmen.
„Das kann ich doch machen“, erbot sich meine Besucherin.
Fast hätte ich das Angebot abgelehnt. Seltsam, nicht wahr? Zum ersten Mal bot mir jemand freiwillig Hilfe mit Hayden an, und ich wollte ablehnen. Ich hatte schon den Mund geöffnet, um ihr zu versichern, das sei nicht nötig, ich sei es gewöhnt, den Kleinen zu füttern, das sei schließlich mein Job.
Stattdessen zwang ich mich zu einem dankbaren Lächeln. „Hier!“
Margaret schob ihre Tasse auf die andere Tischseite, um nicht versehentlich heiße Flüssigkeit auf Hayden zu verschütten, und legte ihn sich sanft im Arm zurecht. Ich hatte die Flasche schon geschüttelt und die Temperatur des Inhalts geprüft, deshalb gab ich das Fläschchen nur weiter. Margaret begann, Hayden zu füttern.
„Haben Sie selbst Kinder?“, fragte ich und entspannte mich, als ich sah, dass es Hayden gut ging
Margaret schüttelte den Kopf. „Nein. Ich will Ihnen nicht unsere ganze Geschichte aufbürden, aber wir sind jetzt seit zehn Jahren kinderlos verheiratet. In den ersten Jahren waren wir nicht gut krankenversichert und konnten es uns nicht leisten, prüfen zu lassen, warum ich nicht schwanger wurde. Vor etwa drei Jahren starb Lukes Mutter und hinterließ uns ihr Geld in einem Treuhandfonds. Aber da ... sehen Sie, ich bin ein ganzes Stück älter als Luke, und obwohl
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