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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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mit Karl und Martin davon, während ich am Fenster stand und in Panik zu geraten drohte.
    Erst einmal marschierte ich ziellos im Haus umher und versuchte, meine Ängste in den Griff zu bekommen. Warum sollte jemand, der Craig in Georgia getötet hatte, hier nach Craigs Frau suchen – wenn nicht überhaupt Regina selbst ihren Mann umgebracht hatte ... nach einer Weile war die schlimmste Panik überwunden, aber eine Viertelstunde später lief ich immer noch auf Socken durch die Zimmer und starrte durch die Fenster hinaus in den Schnee.
    Nachdem ich nach Hayden gesehen hatte, der eingeschlafen war, zog ich Schuhe an, stopfte das Babyphon in eine Tasche meines Mantels, versorgte mich mit Mütze und Handschuhen und trat durch die Haustür, die nach Süden hinausging. Sofort versanken meine Schuhe im Schnee.
    Ich kannte Eis, ich kannte auch Hagel, und ich würde das Jahr nie vergessen, als bei uns im Januar sechs Zentimeter Schnee fielen und wir zwei Tage lang die Schule nicht besuchen mussten. Aber weißes Zeug in diesen Dimensionen kannte ich nicht, der Schnee lag bestimmt zehn bis fünfzehn Zentimeter hoch. Nach allem, was ich über Martins Jugend wusste, verschwand solcher Schnee nicht einfach über Nacht, im Gegenteil. Es war zu erwarten, dass es weiter schneite und die weiße Pracht wochenlang nicht wegtaute.
    Der Himmel war grau, bedrückend grau, bleigrau, wie am Vortag. So erstaunlich der Gedanke für mich persönlich auch war, es sah so aus, als würde es bald wieder schneien. Wären wir im Skiurlaub gewesen, mit offenen Kaminen in jedem Zimmer und jeder Menge höflich lächelnder Kellner – das hätte ich ohne weiteres ausgehalten. Aber hier im tiefsten Ohio würden Martin und ich persönlich das Holz für den Ofen im Wohnzimmer schleppen müssen, sollte der Strom ausfallen. Außerdem konnten wir von Glück sagen, dass dieser Ofen da stand und allem Anschein nach auch noch unser Schlafzimmer oben mit heizte. Die anderen Zimmer würden eisig bleiben. Ich nahm mir fest vor, reichlich Gebrauch vom Herd zu machen, solange dieser noch mit mir sprach, und auf alle Fälle so viele Fläschchen wie nur möglich vorzubereiten.
    Da ich mich nicht zu weit vom Sender des Babyphons entfernen wollte, drehte ich eine Runde ums Haus und entdeckte zu meiner großen Erleichterung an der Westseite des Hauses einen Holzstapel im Hof. Die Westseite lag am weitesten von der Straße entfernt. Ich wischte sogar den Schnee vom Holz, um nachzusehen, ob der Stapel wirklich so hoch war, wie er mir erschien.
    Als ich aber weiterstapfen und meinen Rundgang beenden wollte, entdeckte ich noch etwas anderes, das mir vorher entgangen war. Meine Fußspuren waren nicht die einzigen im Schnee. Die anderen waren älter, sie mussten im Laufe der Nacht entstanden sein, da sie schon wieder zur Hälfte mit Schnee gefüllt waren. Es war nicht leicht, Ferse von Spitze zu unterscheiden, aber es waren eindeutig Fußspuren, nicht die eines Hirsches oder eines anderen Wildtieres.
    Ich kam mir vor wie Falkenauge, als ich den Blick schweifen ließ, um die Spuren zu verfolgen. Wer immer sie hinterlassen hatte war von Süden her über die Felder gekommen, hatte am Küchenfenster haltgemacht und war dann im Kreis ums Haus gegangen. So wie ich, nur näher an den Fenstern. Als hätte der nächtliche Besucher einen Blick in alle Zimmer werfen wollen.
    Möglicherweise hatten die Spuren auch ihren Ursprung am Haus selbst – aber wieso? Wieso hätte Martin das Haus nachts durchs Fenster verlassen sollen? Das war doch verrückt. Er war am Morgen durch die hintere Verandatür hereingekommen, ich konnte seine Spuren klar und deutlich sehen, ich erkannte den Abdruck seiner Schuhsohlen. Martin hatte das Haus durch die Hintertür verlassen, war zu einer Eiche im Garten gegangen, dann ein Stück weiter nach Westen, weg von der Straße, hatte kehrtgemacht und sich im Kreis gedreht, um sich umzusehen, und war dann wieder zur Hintertür zurückgekehrt.
    Ich musste schlucken, in meinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet.
    Jemand anderes war nachts um unser Haus geschlichen. Verzweifelt suchte ich nach einer weiteren vernünftigen – oder auch unvernünftigen – Erklärung für solches Verhalten, aber so sehr sich mein Hirn auch anstrengte, mir wollte einfach keine einfallen.
    Der Schnee hatte Martin so gute Laune beschert, dass ich es hasste, ihn aus diesem Hoch zu holen, aber über diese Spuren musste er Bescheid wissen. Daher kürzte ich meine Wanderung ab und stampfte mir

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